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Leise, aber eigenwillige Töne: das neue Berliner Label Belize

© Courtesy of Belize

Von diesem Berliner Label wird man künftig noch viel hören: Belize macht Mode für stilbewusste, eigenwillige Opportunistinnen, die sich vom Leben treiben lassen und nicht laut sein müssen, um gehört zu werden. Diesen Monat wird das Label das erste Mal Teil des Vogue Salons sein.

Manchmal braucht es nur einen einzigen Entwurf und einem Label ist die Aufmerksamkeit sicher. Planen kann man so etwas natürlich nicht. Als Valeska Duetsch einen bunt geringelten Pullover aus Lammwolle entwarf, hatte sie schlicht und einfach den Plan, ein Kleidungsstück zu designen, "das ich selbst am liebsten auf dem Flohmarkt finden würde", erzählt sie heute. Doch der Regenbogen-Pullover sollte das erste Signature-Piece von Belize werden – dem Label, das Deutsch und ihre Partnerin Fiona Bansal gerade erst frisch gegründet hatten. Er traf den Geschmack einer Redakteurin der New Yorker Modeplattform "Man Repeller", die nahm ihn zum Anlass, einen Text über die junge Marke zu schreiben und brachte Belize damit auf den Radar zeitgeistiger, selbstbewusster Frauen, die in Sachen Mode ihren eigenen Weg gehen und sich nicht einer gefälligen Ästhetik anpassen wollen. Wenig später berichtete die US-amerikanische Vanity Fair über Belize. Valeska Duetsch und Fiona Bansal stiegen zu heiß gehandelten Newcomer-Designern auf und Berlin hatte eine Modehoffnung mehr.

Die Anfänge von Belize

Ein eindrucksvolles Treppenhaus in einem Berliner Gründerzeithaus in der Potsdamer Straße, der einstige Prunk ist genau im richtigen Maß verblichen und wirkt im schwachen Licht des typisch trüben Berliner Tages wie die Kulisse eines alten Filmdramas. Hier liegt das Atelier von Belize – weiße Wände, viel Stuck, bunte Stoffballen in jeder Zimmerecke. An einem Moodboard sind Bildern von Frauen in geblümten Kleidern auf sommerlichen Wiesen zu sehen, daneben Aufnahmen alter Korsetts, die einst weiß waren und später eine bräunliche Färbung annahmen. Valeska Duetsch macht eine Pause von ihrer Arbeit an der kommenden Kollektion und lässt sich auf einem weißen Sofa nieder, um uns die Geschichte ihres Labels zu erzählen. Jedes ihrer Worte wählt sie bewusst, lauscht ihnen lange nach, ständig scheinen ihr dabei neue Gedanken durch den Kopf zu gehen. Sie wirkt wie eine dieser kantigen, speziellen Frauen, wie sie gerade Berlin gerne hervorbringt. Valeska Duetsch wurde in der Stadt geboren, ist hier aufgewachsen und hat am Berliner Lette-Verein gelernt.

Eine Ausbildung, die sie als "zünftig" bezeichnet – der Fokus lag auf dem Handwerk, weniger auf großer Inszenierung. An ihren Bachelor wollte sie eigentlich einen Master anhängen, doch das Leben trug sie davon und sie stellte sich nicht dagegen. Sie begann ein Praktikum im Londoner Atelier von Alexander McQueen, ging danach als Jungdesignerin unter Phoebe Philo zu Chloé nach Paris – eine Zeit, deren Einfluss heute in den Designs von Belize erkennbar ist. Als Philo das Modehaus verließ und ihr Team sich auflöste, verschlug es Valeska Deutsch zurück nach London in das Atelier von Stella McCartney. Dort begegnete sie ihrer späteren Partnerin Fiona Bansal, die für den Stoffeinkauf des Labels zuständig war. Die Visionen der beiden Frauen deckten sich, beide hatten den Wunsch, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und schon ihre ersten Entwürfe stießen auf Echo. 2016 wurde Belize geboren. Heute regelt Fiona Bansal von London aus den geschäftlichen Teil der Marke, die kreative Basis liegt bei Valeska Duetsch, die nach der Labelgründung in ihre Heimatstadt Berlin zurückkehrte.


Die Vision von Belize: Uniformen mit femininem Twist

"Wenn ich durch ein Buch wie dieses blättere, kann mich das den ganzen Tag lang glücklich machen", sagt Valeska Deutsch und legt einen schweren Bildband auf den Tisch. Darin zu sehen? Fotos von alten Militär- und Arbeitskleidung von Ärzten oder Fallschirmspringern aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. "Ich liebe Uniformen", verkündet die Designerin und blättert entzückt durch die Seiten. Uniformen – ein Wort, mit dem nicht zwangsläufig positive Emotionen verknüpft werden. Doch wenn Valeska Duetsch das Wort verwendet, meint sie damit: Kleidungsstücke in zeitlosen Farben und Materialien wie Baumwolle, mit denen ihre Trägerin für jede Situation gerüstet ist und die ihr ein Gefühl der Stärke verleihen. Und: Schnitte, die an jedem Körper funktionieren und in denen viel Volumen steckt.

"Ich selbst trage bevorzugt Männerkleidung", erzählt Valeska Duetsch, deshalb präge Belize ein Mix von Maskulinem und Femininem. Das klingt zwar an sich nicht neu, doch ist der Spagat im Falle von Belize ausgefeilter als bei vielen anderen Labels. "Dieses Kleid wirkt wegen seiner Raffungen auf den ersten Blick feminin, aber beim genauen Hinsehen erkennt man, dass es im Grunde aus einem extrem altmodischen Männerstoff gemacht ist. Den würde man vielleicht bei einem Taxifahrer vermuten. Oder einem spießigen Vater", sagt Valeska Duetsch, als sie ein Modell der kommenden Frühjahr/Sommer-Kollektion 2018 von einem Kleiderständer nimmt. Ihre Entwürfe sind nicht gemacht, um beiläufigen Betrachtern zu gefallen. Sie sollen vielmehr die Eigenarten ihrer Trägerin unterstreichen, auf eine subtile Weise, die Auseinandersetzung erfordert.

Der Anspruch

"Ich hasse Branding", stellt Duetsch klar. Früher habe sie aus ihrer Kleidung die Etiketten herausgeschnitten, sie selbst kaufe gerne in Secondhand-Läden. Slogans oder Logos auf ihre Entwürfe zu drucken, würde ihr nicht in den Sinn kommen. Zwar liebe sie Puffer Jackets und Hoodies, doch weil sie momentan überall zu sehen sind, sei ihr die Lust darauf vergangen. Damit setzt sich Belize ab den von den momentan großen Strömungen, die die Mode in den vergangenen Saisons lauter, greller und plakativer werden ließen. "Wenn man etwas Eigenes macht, muss man sich klar werden, was man ist und was nicht", sagt Duetsch. Ihr Anspruch an Qualität ist hoch: Die für Belize verwendeten Stoffe stammen größtenteils aus Italien oder Österreich, aufwendige Stickereien und Drucke entstehen in traditionellen indischen Handwerksbetrieben – per Handarbeit, was an manchen Stücken an kleinen Unregelmäßigkeiten zu erkennen ist. Deutsch setzt auf gut designte Stücke, die gerade deshalb Aufmerksamkeit bekommen, weil sie nicht danach schreien. Dennoch sind sie nicht puristisch oder gesichtslos. "Für mich ist eine gute Kollektion eine Mischung aus leisen und lauten Tönen – wie bei einer guten Oper. Nur leise wäre langweilig", sagt Valeska Deutsch.

Die beiden Belize-Gründerinnen Valeska Duetsch und Fiona Bansal © Courtesy of Belize

Die Zukunft von Belize

"Wir haben uns eine Basis geschaffen, darauf können wir nun aufbauen", sagt Valeska Duetsch. Im Januar wird Belize während der Fashion Week zum ersten Mal Teil des Vogue Salons und damit auch des Berliner Mode Salons sein. Und dort gemeinsam mit anderen Labels dafür stehen, was die Berliner Designszene anstrebt: Mode mit einer klaren Identität und Eigenwilligkeit zu schaffen, die sich international nicht zu verstecken braucht.

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