Von Anke Pedersen, Handelsblatt
Joachim Hunold provoziert gern. Jetzt sorgt er mit den Börsenplänen seiner Air Berlin für Aufregung ? und Skepsis. Auf der Pressekonferenz auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin dürfte er jedenfalls viele Fragen beantworten müssen.
HB DÜSSELDORF. ?Glaubwürdigkeit ist der Anspruch, den ich an mich selber stelle. Dazu gehören Verlässlichkeit und Berechenbarkeit?, sagt der leicht untersetzte 54-Jährige mit dem lichten Haar. Konsequent war der Weg des Studienabbrechers vom Gepäckverlader auf dem Düsseldorfer Flughafen zum Marketing- und Vertriebschef der LTU-Gruppe. Konsequent auch sein Ausstieg bei dem Ferienflieger, als 1990 der angepeilte Chefsessel unerreichbar wurde. Und konsequent trieb er danach innerhalb von sechs Wochen 7,5 Millionen Mark auf, um die damals angeschlagene Air Berlin aufzukaufen. Heute ist sie die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft mit knapp zehn Millionen Passagieren und 894 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr. Ob Hunold mit derselben Konsequenz seit dieser Woche laut und öffentlich über einen Börsengang seines Unternehmens nachdenkt? In der Branche stößt er auf Skepsis. Auf der Pressekonferenz am heutigen Freitag auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin dürfte er viele Fragen beantworten müssen. Natürlich, sagt ein Airline-Experte, sei die geplante Expansion sehr mutig und habe die Fachwelt verblüfft. ?Aber jeder fragt sich, ob er nicht beim ersten Gegenwind umkippt.? Er weist auf die mangelnde Kapitaldecke der Airline hin. ?Auf Grund der Konzernungebundenheit kann Hunold in seinen Entscheidungen sehr schnell sein?, räumt Germanwings-Vorstand Andreas Bierwirth nicht ohne Neid ein. Im Luftfahrt- und Touristik-Geschäft wird Hunold oft als Branchenschreck und Gewerkschaftshasser klassifiziert. Der praktizierende Rheinländer dazu lakonisch: ?Ich red? eben nicht drum rum, ich komme klar auf den Punkt.? Bei seinen Freunden hat ihm diese Haltung höchste Wertschätzung eingebracht: Bei den ehemaligen Tui-Spitzenmanagern Ralf Corsten und Karl Born beispielsweise oder bei Ex-Dorint-Chef Alfred Weiß. ?Er ist kein Typ, der sich unterordnet?, sagt Weiß. ?Dem kann man kein X für ein U vormachen. Er ist ein Unternehmer, der das Unternehmertum liebt, und kein Manager, der bei seiner Einstellung über die Höhe der Abfindung nachdenkt.? Hunold scheut sich selten, Gegnern wie Neidern eine offene Flanke zu bieten ? und provoziert gerne. Seit jeher stellt er seine Angestellten vor die Wahl: Job oder Betriebsrat. ?Es gibt Dinge, die können wir machen, aber es gibt Dinge, die können wir im Wettbewerb nicht machen.? Klar, die Gewerkschaften hassen den geschäftsführenden Gesellschafter für diese Missachtung der Mitbestimmung. Aber seine 2 100 Mitarbeiter, so glaubt der Chef, lieben ihn dagegen. ?Ich bin für alle der Achim?, sagt er mit kokettem Augenaufschlag, ?mit den meisten duze ich mich. Eigentlich sind wir ?ne große Familie.? Die Hunoldsche Führungsstrategie setzt auf Vertrauen und das Delegieren von Verantwortung. ?Ein Risiko ist immer dabei?, sagt er. Das gelte aber ebenso für jede private Partnerschaft, für Ehe und Familie. Der Familie Air Berlin zeigt er seine Wertschätzung mit Partys und Finanziellem: Firmenpolitik ist es, allen Mitarbeitern einmal pro Jahr einen Bonus zusätzlich zur Gehaltserhöhung zu zahlen. 2003 war das erstmals nicht möglich. Die schlechte Nachricht musste Hunold seiner Mannschaft während der Weihnachtsfeier verkünden: nur einen halben Bonus und keine Gehaltserhöhung. Dennoch, so berichtet der Chef, gab es Standing Ovations. ?Weil sie es verstehen. Da habe ich eine Gänsehaut bekommen.? Hunolds Rührseligkeit endet jedoch da, wo es um den Erfolg geht: ?Ich bin süchtig nach Zahlen?, erklärt er, ?und ich bin Perfektionist bis ins Detail.? Das verlangt er auch von seinen Mitarbeitern. Keine Kompromisse lässt er auch bei seiner richtigen Familie zu ? seiner dritten Frau Manuela und den vier Kindern Jonas, 7, Jakob, 5, Jeremias, 3, und Emilia Johanna, 1. Wozu sollte eine Frau in der Ehe ihren Namen behalten? ?Das gibbet bei mir nicht!? sagt der rheinische Katholik. Warum sollte sie arbeiten, wenn sie sich doch um die Familie kümmern kann? Die Mutterrolle sehe er als die wichtigste Aufgabe an, sagt das Familienoberhaupt. ?Dieser Managerjob ist wichtiger als meiner, immerhin geht es um das eigene Fleisch und Blut.? Deshalb versucht er, drei Tage pro Woche bei seiner Familie im Rheinland zu sein. Sonst lebt der gebürtige Düsseldorfer in Berlin, bei der Firmen-Familie. Und da hat er alle Hände voll zu tun. Denn auch für ihn wächst das Geschäft mit Billigflügen nicht mehr so schnell wie bisher. Kooperation statt Krieg heißt deshalb sein neues Motto. So kooperiert er mit der frisch gegründeten Niki Air in Österreich, mit der Ex-Rennfahrer Lauda sein Comeback in der Fliegerei versucht. Und er arbeitet mit der Berliner Germania zusammen. Im Mai hat die Allianz ihre erste Belastungsprobe. Dann tritt der große Konkurrent Easyjet auf Routen an, die bisher exklusiv von Air Berlin bedient werden. ?Dass Easyjet eines Tages in Deutschland gegen uns antreten würde, war uns seit langem klar?, gibt sich Hunold gelassen. ?Da deren Kostenstruktur nicht besser ist als unsere, müssen wir uns davor nicht fürchten.?