Anja Schimanke

Journalistin (Gesellschaft, Soziales, Inklusion), Köln

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Ganz schön anders

Del Keens (rechts) gründete 2013 in Berlin die Model-Agentur Misfit Models und ist aktuell in einer Kampagne der Biermarke Astra zu sehen.

Models, die nicht den üblichen Schönheitsidealen entsprechen, sind in der Werbung keine Ausnahme mehr. Das ist auch der Berliner Agentur Misfit Models zu verdanken.


Tränensäcke, schiefe Nase, krumme Zähne, Plauze - wie Germany's Next Topmodel sieht Derrick „Del" Keens nicht aus. Als Model arbeitet er trotzdem und das sehr erfolgreich, schon seit über 20 Jahren. Denn auf eins kann sich der Brite verlassen: Er zieht die Blicke auf sich. Als Jugendlicher hatte Del wegen seines Aussehens Komplexe. Statt sich selbst zu bemitleiden, machte er aus der Not eine Tugend - und fing an zu modeln, für Calvin Klein, Levis und Diesel.


Charakterkopf

Aktuell sieht man seinen unverwechselbaren Charakterkopf auf dem Plakat der Hamburger Biermarke Astra, die mit ihm für ein neues Partymixbier wirbt. „Perfekte Models sind nicht gefragt, sondern echte Persönlichkeiten", erklärt Nadine Morawe, Brand Managerin bei Astra. „Sie sollen sich und das Leben nicht zu ernst nehmen und genau wie die Marke immer etwas Reales und Eigenständiges widerspiegeln."

Astra ist nicht die einzige Marke, die auf Authentizität setzt und ihre Produkte lieber von einem unperfekten Model in Szene setzen lässt. Auch für Sixt stand beziehungsweise lag Keens - mit einem goldenen Badeanzug bekleidet - vor der Kamera. Dazu der Spruch: „Bei dem Model ging was schief, dafür ist der Mietpreis attraktiv." Lustig? Provokant? Schön schräg? Der treffendste Begriff für diese Kampagne sei aufsehenerregend, sagt Jörn Hombert, Team Lead Airport Marketing bei Sixt. „Uns ging es darum, unsere Premiumfahrzeuge und -produkte mit markanten und starken Persönlichkeiten zu präsentieren."

Vielfalt bei Hornbach

Eine ähnliche Philosophie vertritt auch das Baumarktunternehmen Hornbach, das schon 2007 im Rahmen einer Kampagne für Toleranz ganz gezielt auf Models gesetzt hat, deren Aussehen nicht gängigen Normen entspricht.

Darunter war auch ein Heimwerker mit geistiger Behinderung. „Nach unserer Auffassung sind in der Welt des Do-it-yourself alle Menschen gleich, und ihre Gemeinsamkeit ist die Leidenschaft fürs Heimwerken", erklärt Florian Preuß, Leiter Public Relations und Pressesprecher von Hornbach.

Die Sozialwissenschaftlerin Kim Elena (rechts) modelt in ihrer Freizeit - zum Beispiel für die Aktion Mensch.

Dass Unternehmen mutiger geworden sind und sich immer häufiger trauen, unkonventionelle Models einzusetzen, kann Del Keens bestätigen. Die Nachfrage nach echten Typen sei in den letzten Jahren gestiegen. Ihn freut das doppelt. Seit 2013 hat Keens in Berlin seine eigene Agentur: Misfit Models, zu Deutsch: Außenseiter. Er vermittelt Menschen, die wie er nicht den üblichen Mode- und Schönheitsidealen entsprechen und das „gewisse Extra" haben.

Rund 500 Außenseitermodels aus ganz Deutschland hat Keens in seiner Kartei. Wie Boris, Nerd-Brille, zerzauste Haare, Bierbauch, Typ Woody Allen. Früher wurde er wegen seines Aussehens gehänselt, heute gebucht.

Model im Rollstuhl

Genauso wie der 23-Jährige Yussuf mit seiner Beinprothese, der mit verkürzten Armen zur Welt gekommene Mai, oder Kim Elena, die im Rollstuhl sitzt und in der Weihnachtskampagne der Aktion Mensch zu sehen war. Neben dem Spaß ist der Sozialwissenschaftlerin vor allem eins wichtig: „Dass Models mit Behinderung in der Medienwelt auftauchen. Keens steht voll dahinter und macht sich stark für alle, die anders sind." Die Werbung der Firmen wie Sixt, Astra & Co. findet die 23-Jährige „großartig, denn sie bespaßen mich im positiven Sinne". Die Models könnten schließlich selbst entscheiden, ob sie den Job machen wollen oder nicht. Ginge es nach Kim Elena, würde sie das nächste Mal gern für Shampoo werben. „Da geht es um meine Haare und nicht um die Behinderung!"


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