8 Abos und 11 Abonnenten
Artikel

Defäkationen in der Wiener Schottenkirche

Das Schottenstift wird seit kurzem von einem Mann heimgesucht, der seine Fäkalien in Andachtsräumen hinterlässt. Das Kloster hat reagiert und die Kirche bis auf weiteres für Besucher geschlossen. Am Dienstag wurde Anzeige erstattet

Wien - Eine ungewöhnliche Ankündigung prangt seit letzter Woche an der Tür der Schottenkirche in der Freyung im ersten Wiener Gemeindebezirk. Humorvoll schildert der Zettel einen wenig appetitlichen Anlass: Weil ein bis Dienstag unbekannter "netter Mitbürger" wiederholt das Kircheninnere als Ort der Wahl für seine Notdurft auserkor, ist das Gotteshaus seit Ende letzter Woche nur mehr zu den Messfeiern geöffnet.

Seit drei Wochen ereigneten sich derartige Vorfälle regelmäßig, bestätigt Alfred Kleinhappel vom Klosterladen des Schottenstifts. Betroffen waren insbesondere der Kircheneingang, einzelne Kapellen und die Stiegenhäuser des Stifts. Die Fäkalien empfinde man im Benediktinerkloster als Akt der Entweihung der sakralen Räumlichkeiten.

Keine Protestaktion

"Es ist traurig, dass man der Öffentlichkeit eines der ältesten Andachtshäuser in Wien vorenthalten muss, aber wir werden der Sache nicht Herr", sagte Kleinhappel am Dienstag im Gespräch mit dem STANDARD. Es gebe zwar bereits Videomaterial, das den Beschuldigten mit heruntergelassener Hose zeigt. Doch sei dieser bei den wenigen Malen, als man ihn nach der Tat spontan antraf, schwer alkoholisiert und nicht ansprechbar gewesen. Auf die Aufforderung, von der Beschmutzung künftig abzulassen, habe er nicht reagiert, schildert Kleinhappel.

Mit einer blasphemischen Protestaktion gegen religiöse Weihestätten habe der Vorfall nichts zu tun, vielmehr handle es sich seinem Eindruck nach um den traurigen Fall eines verwirrten Obdachlosen, der dringend Hilfe benötige.

Die Michaelerkirche nahe der Hofburg wurde dem dort tätigen Pfarrer Peter van Meijl zufolge ebenfalls von dem Mann aufgesucht, in der Absicht, sein Geschäft an einem stillen Ort im Inneren zu verrichten. Dort konnte man ihn jedoch in den vergangenen Tagen davon abhalten und eine für alle zufriedenstellende Lösung für das Problem finden, die van Meijl nicht näher erläutern wollte. Die Kirche tagsüber zu schließen hält er für eine sehr drastische Maßnahme.

Anzeige wegen Anstandsverletzung

Bis Dienstagnachmittag war man im Schottenstift verzweifelt, da vonseiten der Behörden keine Unterstützung erfolgt war. Die Polizei sei zwar vor ein paar Tagen vor Ort gewesen. Doch die Beamten hätten beteuert, man könne so lange nichts machen, bis der mutmaßliche Täter in flagranti erwischt würde. Auch der Psychosoziale Notdienst habe sich nicht zuständig gefühlt.

Am Dienstag schließlich traf die Polizei den Verwirrten bei einer Kontrollvisite persönlich am Tatort an. Es wurde Anzeige wegen Anstandsverletzung nach dem Wiener Landessicherheitsgesetz erstattet. Der Polizei zufolge müsse nun geprüft werden, ob auch die Defäkationen der letzten Wochen in einer Nacherhebung zur Anzeige gebracht werden. Eine solche Verwaltungsübertretung wird mit einer Geldstrafe bis zu 700 Euro oder einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche geahndet.

Alfred Kleinhappel zeigte sich erleichtert und hofft, dass die Beschmutzungen ein Ende nehmen. Wie lange die Riegel der Schottenkirche für Besucher vorgeschoben bleiben, hänge nun vom Übeltäter ab, meint Wolfgang Steiniger, Leiter des Kammeramts des Schottenstifts. Die Mönchsgemeinschaft bittet auf dem Papier an der Kirchenpforte, der Betreffende möge "seinen Verdauungszyklus nicht auf die Zeiten der Messfeiern abstimmen". (Anja Melzer, derStandard.at, 15.07.2014)

Zum Original