Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Östlich dieser Mauer und der
stark gesicherten Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik
Deutschland lebten die Menschen in einer Diktatur. Und diese
bespitzelte, beobachtete also heimlich Bürger und Bürgerinnen, die
verdächtigt wurden, gegen das Regime zu arbeiten oder Kontakte zum
Westen zu haben, und schikanierte sie. Hauptverantwortlich dafür war das
sogenannte Ministerium für Staatssicherheit, das MfS –
umgangssprachlich auch „Stasi“ genannt.
Jedes Stasi-Opfer hatte eine Akte, die über sie oder ihn angelegt wurde. Nach dem Mauerfall begannen Stasi-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter, Akten zu vernichten. Was der Reißwolf, eine Maschine, die Papier in kleine Stücke reißt, nicht schaffte, wurde mit der Hand zerrissen. Durch den Einsatz engagierter Bürgerkomitees konnten aber dennoch etwa 180 Kilometer unbeschädigter Akten sowie etwa 16.000 Säcke mit geschätzt 600 Millionen Papierfetzen gesichert werden. Seit 1995 beschäftigt sich ein Team der „Stasi-Unterlagen-Behörde“ – wie die zuständige Bundesbehörde umgangssprachlich genannt wird – damit, diese Papierfetzen wieder zusammenzusetzen. Das geschieht überwiegend in Handarbeit und ist, wie Mitarbeiterin Ines sagt, vergleichbar mit dem Zusammensetzen eines Puzzles:
Ines: „Das ist ‘n Sack mit zerrissenen Unterlagen vom MfS, manchmal kleiner und manchmal größer. Ich nehm mir ‘n Stapel raus, wo ich sehe, wo Ähnlichkeiten sind, und versuch, die zusammenzupuzzeln.“
Ines und drei Kolleginnen sitzen im dritten Stock des ehemaligen
Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg an riesigen
Schreibtischen. Vor sich haben sie Papierstücke in allen Farben, Formen
und Größen. Ines greift in einen Sack und holt einen Stapel, zahlreiche übereinanderliegende Papierfetzen heraus. Zerrissene Papierstücke werden in der Alltagssprache auch als Schnipsel
bezeichnet, ein Begriff, der das Geräusch einer schneidenden Schere
nachahmt. Jeder beziehungsweise jedes Schnipsel wird anschließend in
einen der Archiv-Kartons sortiert und später von Hand – Seite für Seite –
zusammengeklebt. Das ist mühsam, denn weder weiß man, wie die Seite
aussehen soll, noch ob überhaupt alle Teile im gleichen Sack sind, sagt
Joachim Häußler, einer der Leiter des Projekts:
Joachim Häußler:
„Je nachdem wie so ‘n Sack ausgesehen hat und wie groß der Sack war – die Säcke sind auch sehr unterschiedlich in der Größe –, kam es dann schon mal vor, dass ‘n Mitarbeiter ein Jahr oder zwei Jahre vor so einem Sack gesessen hat und möglicherweise nicht alles zusammenbekommen hat, weil die Schnipsel dann eben doch zu klein waren.“............
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