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Bambergs subkulturelles Highlight

Es beginnt damit, dass ich Mittwochnacht viel zu lange wach bleibe, weil ich mich noch immer nicht entschieden habe, welchen Text ich am Donnerstagabend beim Kontakt-Festival vorlesen werde. Am Donnerstag bin ich dann viel zu früh auf dem Gelände auf der Lagarde-Kaserne und wahnsinnig nervös. "Junge Literatur aus Bamberg" ist einer der ersten Programmpunkte des Jahres.

Außer mir lesen Franziska Wotzinger, Selmar Klein und Felix Pielmeier einen Text von Julo Drescowitz. Diverse Ex-Freundinnen sind gekommen. Die sind natürlich begeistert: "Du liest wie ein Faxgerät", sagt eine dann zum Beispiel. Die andere: "Ich würde jetzt lieber zu Oporto gehen." Die spielen nämlich zur gleichen Zeit in der Turnhalle.

Das Gelände, das vom Kontakt Festival mittlerweile zum dritten Mal bespielt wird, ist für eine Veranstaltung dieser Art halt ein Traum. Die Hofbühne wurde etwas verrückt, die Kunstausstellung macht sich in der Schlosserei breit. Und schon Donnerstagnacht brummt und bollert es in jedem Eck.

Und weil es dann auch noch aufhört zu regnen, kann man den ersten Festivaltag so ausklingen lassen, wie es sich gehört: auf dem Grünstreifen vor der Schreinerei, Freunde treffen, Bierchen trinken. Bis kurz nach 1 Uhr eine Abordnung in neongelben Warnwesten übers Gelände streift. Das ist das Team. Die vertreiben uns nun.

Ich habe mir gerade eine Tiefkühlpizza gegen den Kater besorgt, als Timo anruft und mich bittet, nun doch den Artikel über das Kontakt-Festival zu übernehmen. Kein Problem sage ich und schiebe die Pizza in den Ofen. Es ist Freitag, 19 Uhr, und ich bin immer noch daheim, meine Jacke ist schmutzig, der Kopf schmerzt. Das Handy brummt: "Wann kommst du?"

Knisternde Funkgeräte

19.15 Uhr: Ich erreiche das Festivalgelände. Auf dem Fahrradparkplatz verknäulen sich die Bikes. Das Team huscht schon wieder geschäftig durch die Gegend, sehen alle noch einigermaßen erholt aus. Ihnen folgt das knisternde Geräusch ihrer Funkgeräte: "Andi bringt jetzt noch einen Riser."- "Ja, okay." Und am Eingang begrüßt entspannt aus dem Bart grinsend der Michi Schmitt die eintreffenden Gäste.

20 Uhr: Ich bin noch immer angeschlagen. Ich brauche einen großen Festival-Kaffee. Den in der Hand, schlendere in durch die Ausstellung. Es gibt: Einen ausgestopften Bären, einen Mensch aus Draht, Fotos aus den Alpen und ein unterm Stroboskop-Licht waberndes Ding, das sich bewegt oder vielleicht auch nicht und den Zuseher damit auf jeden Fall ganz wirr im Kopf macht.

Rollschuh-Disko in der Posthalle

20.30 Uhr: In der Posthalle ist jetzt Rollschuh-Disko. Macht wenig Spaß, wenn man keine Rollschuhe hat, aber man freut sich einfach trotzdem, dass es das gibt. Das Gelände läuft mit Menschen voll wie ein Gefäß. In der Posthalle spielt Awa, eine Rapperin aus Zimbabwe, die tatsächlich sehr fabelhaft ist. Und sich aufrichtig rührend darüber freut, dass so viele Menschen gekommen sind. Es ist, so hört man, der bislang größte Auftritt ihrer Karriere.

Die Schlange vor dem Gate

Als ich mich um 22.30 zu meiner ersten Schicht melde, heißt es, nun sei Einlassstopp. Mehr als 2500 Besucher werden nicht in die Lagarde gelassen. Dann schlängelt sich die Schlange der Wartenden die Weißenburger Straße hinunter.

Ich hingegen beziehe meinen Posten an der Schreinerei-Bar. Und während die Band "Polizei" ihre rhythmischen Flächen durch die Halle hämmert, schenke ich Bier und Wein und Munich Mule in die Kehlen der durstigen Tänzerinnen und Tänzer. Auf die Schreinere-Schicht folgt eine zweite in der Blechbüchse. Die geht bis vier. Der Rest der Nacht soll lieber verschwiegen bleiben.

Fakt ist: Als ich am Samstag erwache, schmerzt meine rechte Schulter. Und die Knie. Und die Ellenbogen. Ich erinnere mich vage und gehe eine Weißwurst frühstücken. Es ist der dritte Festivaltag und eigentlich reicht es jetzt so langsam, aber natürlich, natürlich mache ich mich auch heute auf den Weg.

Und zum Glück. Schließlich hätte ich es sonst verpasst, einen veganen Döner zu verspeisen, während ein motorisiertes Sofa vorbeifährt. Und die wunderbare Garagenrock-Band "Counts on Crack" aus Kassel. Und viel Abhängen auf dem Grünstreifen zwischen den Hallen.

Kontakt-Festival ist immer auch ein bisschen Klassentreffen, ein bisschen Stammtisch, ein bisschen sich gemeinsam daran besaufen, wie schön das alles ist. Kontakt ist unangefochten das kulturelle, subkulturelle Highlight im Bamberger Jahreskalender. Ich ziehe meinen Hut vor allen, die Anteil daran hatten, ein Programm auf die Beine zu stellen, das Anspruch hat und Spaß macht. Und von dem ich das Privileg hatte, einen kleinen Teil mitzugestalten.

Noch mehr Hüte ziehe ich, weil das dann alles so quasi reibungslos vonstattengeht. Und die Menschen in den gelben Warnwesten vier Tage am Stück mit fast 3000 Besuchern jonglieren und die Masse managen und noch nicht mal Eintritt dafür nehmen. Das alles ist nicht selbstverständlich. Da geht einem schon mal die journalistische Distanz flöten. Danke.

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