Ab Dezember 2014 ist es so weit, die „neue Allergenverordnung“, korrekt „Lebensmittel-Informations-Verordnung (LMIV)“ muss verpflichtend umgesetzt werden. Was bedeutet das?
Wie dies aktuell bereits für verpackte Ware vorgeschrieben ist, müssen die von der EU definierten 14 wichtigsten Allergene nun auch für lose Ware ausgewiesen werden. Dies gilt für Betriebe, die lose Waren verkaufen, wie z.B. Metzger und Bäcker. Die „neue Allergenverordnung“ gilt jedoch auch für alle Arten von Gastronomie-Betrieben, d.h. für Kantinen, Restaurants, Hotels, Caterer etc.. In der österreichischen Presse wird in letzter Zeit vermehrt auf das Thema „Lebensmittel-Informations-Verordnung und Gastronomie“ eingegangen. Hierzulande ist das bisher weniger der Fall.
MeinAllergiePortal sprach mit Andreas Pfeifer, Geschäftsführer der Marketingberatung Die Heldenhelfer in Wiesbaden und freier DEHOGA Marketingberater über den Stand der Umsetzung der LMIV in Deutschland.
Herr Pfeifer, in Österreich reagieren die Gastwirte auf die neue Allergenverordnung mit großer Skepsis, hier hört man bisher wenig. Woran liegt das? Ist man mit der Umsetzung der LMIV hierzulande schon weiter oder sind sich die meisten Gastronomen noch nicht darüber im Klaren, was auf sie zukommt?
Skeptisch sind die Gastronomen in Deutschland auch – und verärgert, denn die Überregulierung hat mittlerweile ein Ausmaß angenommen, das die Wirtschaftlichkeit vieler Betriebe gefährdet. Weiter sind Restaurants und Caterer hierzulande sicher nicht als die Betriebe in Österreich. Offensichtlich wartet man ab, vielleicht auch in der irrigen Hoffnung, die Verordnung würde nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wurde. Im lebhaften Sommergeschäft warten dringendere Fragen auf Antwort. Da wird die Beschäftigung mit der Allergenverordnung gerne auf den meist umsatzschwächeren November geschoben, bevor es am 13. Dezember ernst wird.
Sie beraten die Gastronomie in Marketingfragen und halten Seminare für den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Wie wird das Thema vom DEHOGA aufgegriffen?
Die neue Verordnung hat den Schutz von Nahrungsallergikern vor Gesundheitsgefahren als Ziel. Das ist ein haftungsrelevantes Thema. Davon betroffen sind 800.000 Kinder und 900.000 Erwachsene in Deutschland. Entsprechend kommen Nachfragen aus dem Mitgliederkreis, wenn auch noch zögerlich. Sowohl die DEHOGA Hessen Seminare als auch die DEHOGA Beratunggehen auf das Thema ein und bieten entsprechende Fortbildungen an. Ebenso wurde vom Verband die Broschüre „Gute Gastgeber für Allergiker“herausgegeben.
Auch in unseren Seminaren zur Speisekartenoptimierung gehen wir auf die Verordnung ein, denn das Thema hat ja nicht nur einen rechtlichen, sondern auch einen Marketingbezug. Die Zielgruppe der Gäste, die von Allergien betroffen ist, wächst – und damit auch das Informationsbedürfnis, das der Gastronom befriedigen sollte.
Unser Leitsatz „Reden hilft“ gilt hier in besonderem Maße. Man mag sich über manche Verordnung wundern oder aufregen, aber wegschauen und ignorieren bringt weder Gastgeber noch Gast weiter.
Eine Befürchtung in der Gastronomie ist der mit der neuen Allergen-Verordnung verbundene Arbeitsaufwand. Was kommt an Mehrarbeit auf die Wirte zu?
Der rechtliche Rahmen ist gesetzt, da gibt es keine Diskussion. Verordnung lesen, verstehen, und umsetzen sind die zu erledigenden Hausaufgaben. Die daraus resultierende Mehrarbeit heißt im Gastgewerbe:
- getrennte Produktlagerung
- gründliche Reinigung aller Arbeitsgeräte
- separate Spül- und Trockentücher
- exakte Festlegung von Rezepturen,
- Mitarbeiter in Küche, Reinigung und Service informieren und sensibilisieren sowie
- die Speisekarten überarbeiten.
In vielen Fällen wird man um einen Neudruck der Speisekarte nicht umhinkommen.
Aus Marketingsicht lässt sich aus der Umsetzung der Vorschriften aber durchaus ein Service-Angebot machen. Ähnlich wie bei Vegetariern und Veganern verzeichnen wir einen stärker werdendes Interesse an Lebensmitteln und den Wunsch nach verantwortlichem Umgang, sowohl mit den Lebensmitteln als auch mit dem Gast. Restaurantbetreiber und Cateringunternehmen, die diesen Umstand ernst nehmen, können mit entsprechenden Informationen in der Speisekarte punkten.
Unser Rat: Das Thema offen angehen und aus der Not eine Tugend machen. Und wer den Arbeitsaufwand mit der Optimierung der Speisekarte und der Mitarbeiterschulung verbindet, der tut sich gleich dreifach einen Gefallen: Rechtssicherheit, Imagepflege sowie Gäste- und Teamzufriedenheit.
Manche Gastronomen gehen davon aus, dass die neue Allergenverordnung dazu führt, dass man vermehrt auf Fertigprodukte zurückgreift, weil bei diesen alle Inhaltsstoffe auf der Verpackung stehen. Wie schätzen Sie dies ein?
Das ist weniger eine Frage der Kennzeichnungspflicht als vielmehr eine Frage der Küchenphilosophie. Wer seine Gerichte selbst herstellt, der weiß, welche Inhaltsstoffe in seinen Speisen enthalten sind. Köche, die aus Bequemlichkeit oder Unsicherheit auf Convenience, also vorgefertigte Produkte setzen, verschenken die Möglichkeit, individuell auf Gästewünsche eingehen zu können. Habe ich die Zusammensetzung meiner Rezepte selbst in der Hand, kann ich bei Bedarf Zutaten weglassen oder ersetzen. Das weiß der Gast zu schätzen.
In jeder Veränderung steckt ja auch eine Chance. Wie könnten Gastronomen die LMIV denn für Marketingzwecke nutzen?
Gastronomen können mit Zusatzinformationen punkten. Statt Einfügen von rechtlichen Kennzeichnungen in der Speisekarte (immerhin umfasst die Liste 14 Allergene) sind Zusatzinformationen in einem Folder oder einer Extrakarte möglich.
Es spricht nichts dagegen, mal ein bisschen Lebensmittelkunde in Sachen „Nahrungsallergie-auslösende Bestandteile in Lebensmitteln“ durch den Fachmann zu betreiben. Das hilft dem Gast und auch dem Servicepersonal, das bei häufig wechselnden Saisongerichten mit Fragen nach allergenen Stoffen oder vegetarischer bzw. veganer Eignung manchmal überfragt ist.
Auch entsprechende Informationen auf der Website unterstützen die Marketingaktivitäten, denn eine wachsende, oft zahlungskräftige Zielgruppe wird auf das Gastro-Angebot aufmerksam und die richtigen Keywords tragen über die Suchmaschinenoptimierung (SEO) zu einem besseren Ranking bei Google & Co bei.
In Italien ist man übrigens schon besser vorbereitet als in Deutschland. Dort erhält man in fast jedem Restaurant eine glutenfreie Pasta. Doch auch in Deutschland tut sich was. Zwei Kundenbeispiele: Das Restaurant des Parkhotel Landau bietet kreative Gourmet-Menüs für Vegetarier an, die auf Wunsch auch komplett vegan zubereitet werden können. Die Speisekarten werden zur Zeit von Küchenchef Oliver Weisch an die Kennzeichnungspflicht angepasst.
Und die Wirtin vom Gasthaus Zur Schmelz in Mossautal, Ulrike Michel, ist nicht nur Ernährungsberaterin mit Spezialgebiet Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, sondern bietet auf der Gasthaus-Webseite und im Lokal eine gluten- und laktosefreie Speisekarte an. Außerdem berichtet sie in ihrem Blog über Neuigkeiten zum Thema.
Bei allen Bemühungen um Lebensmittelsicherheit im Gastgewerbe dürfen wir nicht aus den Augen verlieren: Wir gehen in ein Restaurant nicht der Rechtssicherheit, sondern des Genusses wegen. Die neue Allergenverordnung sollte den Appetit daran nicht verderben – weder den Gastgebern, noch den Gästen! Immerhin gehen laut einer DAAB-Studie aus dem Jahr 2012 89 Prozent der Befragten trotz Allergie ins Restaurant essen. Das lässt hoffen …
Herr Pfeifer, herzlichen Dank für dieses Interview!
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Andreas Pfeifer ist freier DEHOGA Marketingberater und der Name seines Unternehmens „Die Heldenhelfer“ ist Programm. Er ist seit über 20 Jahren in der Marketingkommunikation selbstständig und berät seit 2010 professionelle Gastgeber im Marketing. Im Mittelpunkt stehen inhabergeführte Betriebe in der Hotellerie und Gastronomie. Zum Leistungsangebot zählen Markenaufbau und Positionierung, Marketingkonzepte, Speisekartenoptimierung und Social Media für Gastgeber.
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