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Reportage

Mobile Krankenpflege: Von der "Einsatzzentrale" zu den Patienten

Butzberg 2, Gößweinstein: Das ist die „Einsatzzentrale“, wie Pflegedienstleiterin Anita Warzecha-Lauerer das Büro ihrer mobilen Pflegepraxis nennt. Untergebracht ist die „Leitstelle“ in einem Privathaus, in dem die 58-jährige gelernte Krankenpflegerin, die aus Überzeugung Menschen betreut, die auf Hilfe angewiesen sind, ein Büro angemietet hat. Kurz vor 10 Uhr plant die mütterlich wirkende Blondine die Fahrtroute so, dass möglichst wenig Zeit auf der Strecke bleibt.

Mit dem roten Mini-Cooper geht es zu Anna Polster (87), die nach einem Sturz eine offene Wunde am rechten Unterschenkel hat. Die Patientin lebt am Ort. „Sie kann sich ohne Verletzungsrisiko nicht allein in ihrer Wohnung bewegen“, erklärt Lauerer. Daher kommt die Pflegerin jeden Morgen, um die Wunde zu versorgen und der Seniorin beim Anziehen zu helfen. Die Pflegedienstleiterin parkt den Wagen und angelt sich mit einer Hand eine kleine Schachtel Tabletten vom Rücksitz. Damit eilt sie in den zweiten Stock zu Anna Polster. Verbands-Utensilien wie „Lomatuell“, eine mit fett getränkte zehn mal zehn Zentimeter große Kompresse, haben die Angehörigen bereits bereitgelegt. So kann sich die Pflegerin schnellstmöglich der Patientin widmen.

Die Seniorin wartet im Esszimmer und strahlt, als sie den „Pflegeengel“ erblickt. „Ich bin so froh, dass du da bist. Du bist das Highlight des Tages“, gesteht die kranke Frau, während sie von Anita Lauerer herzlich umarmt und gedrückt wird. Aus dem Sammelsurium an Medikamenten, das hinter dem Esszimmertisch steht, fischt die Pflegekraft routiniert Handschuhe, Verbandszeug, Tabletten und eine Salbe heraus. Behutsam wickelt sie den Verband von der Wade ab. „Achtung, Zähne zusammenbeißen, ich muss die Wunde wieder desinfizieren“, warnt die Samariterin mit festem, bestimmtem Ton, ehe sie das offene Bein behutsam verbindet. Währenddessen unterhalten sich die beiden. „Das ist das Wichtigste“, so Lauerer. „Die Kranken sollen sich wohlfühlen.“  

Anita Lauerer trägt eine dunkelblaue Jeans und eine weiße Bluse, darüber einen pfirsichfarbenen Leinenkittel und schwarz-graue Turnschuhe. Ehe sie geht, ermahnt sie die Rentnerin, ihre Medikamente gewissenhaft zu schlucken. Doch die Patientin widerspricht: „Ich nehme jeden Tag sechs Tabletten. Aber die helfen einfach nicht.“ Anita Lauerer beschwichtigt: Sie legt der ängstlichen Frau die Hand auf die Schulter und erklärt, dass die Wirkung erst langsam und stetig zu erwarten sei. „Deswegen schauen wir ja zweimal täglich bei Ihnen vorbei.“

Zurück im Mini Cooper ist sie gedanklich schon bei der nächsten Patientin. „Es geht nach Wichsenstein zu Gerlinde Gröschel (77)“. „Sie kann nicht mehr alleine baden. Daher helfe ich ihr in die Wanne. Dafür hat sie einen eigens angefertigten Sitz bekommen“, erklärt Anita Lauerer, die auch hier liebevoll begrüßt wird. „Wie schön, dass du da bist“. Beide verlieren keine Zeit. Anita Lauerer hakt die hilfsbedürftige Frau unter und führt sie behutsam in Richtung Badezimmer. Dort hilft sie der Seniorin beim Ausziehen. Mit einem geübten Griff setzt die Pflegerin die Alt-Bäuerin auf den Stuhl am Rande der Badewanne, die sich nun alleine waschen kann. Anita Lauerer assistiert. Als die Klientin wieder angezogen ist, notiert der helfende Engel alle Tätigkeiten. „Für die Abrechnung bei der Krankenkasse“, erklärt die Pflegedienstleiterin unwirsch.

„Kundin“ Nummer drei, die 93-jährige Katharina Bärthlein leidet an Demenz. Sie lebt laut Angaben der Angehörigen in ihrer ganz eigenen Welt. Aufgabe der Pflegerin ist es, die Dame bei der Morgentoilette zu unterstützen, sie über die 24 Stufen nach unten ins Wohnzimmer zu geleiten und für Essen zu sorgen. Die Hochbetagte stützt sich beim Treppensteigen auf die Helferin und nimmt auf dem Sofa Platz. „Man kann sie nicht mehr alleine lassen“, erklärt Schwiegertochter Jasmin, die gerade von der Arbeit kommt.

Anita Lauerer fährt zurück in die „Einsatzzentrale“. 

Auf dem Weg erklärt sie, warum sie nach 18 Jahren Selbstständigkeit noch immer jeden Tag gerne arbeitet. „Ich habe in einem Pflegeheim angefangen. Ich bekam Ärger, weil ich mir zu viel Zeit für die Patienten gelassen hatte und wurde zum Chef zitiert“, schildert sie ihre Anfänge. „Als dann unsere Ansichten aufeinanderprallten, stellte er mir die provokante Frage: „Was wollen sie denn sonst tun. Einen eigenen Pflegedienst gründen?“ „Tja, genau das habe ich gemacht. Ich habe ohne zu zögern gekündigt und mir am nächsten Tag den Antrag für die Selbstständigkeit bei der Krankenkasse besorgt.“