Die Nacht ist tiefschwarz, ein Nebelschleier bedeckt den Boden. Zwei Laternen erhellen das Kopfsteinpflaster der Einfahrt am Hang in der Jägersburger Straße in Bammersdorf. Es ist kurz nach ein Uhr, als die Zeitungsausträgerin Sabine Dörfler zum ersten Mal auf ihr goldfarbenes Smartphone, dessen Schutzhülle bereits abblättert, blickt. Sie ist gerade aufgestanden und ruft die Wettervorhersage ab. Dann entscheidet die gelernte Mechatronikerin, was sie anziehen wird. Dann fragt sie telefonisch nach dem Lieferstand der Zeitungen. "Guten Morgen liebe Zusteller. Heute, am Samstag, kommen die Zeitungen wie folgt: Es wird zu keinen Verzögerungen kommen", erzählt die Stimme vom Band.
"Ich würde den Mann gerne kennenlernen, der das jeden Morgen aufs Neue so monoton einspricht", lacht Dörfler. Mittlerweile hat sie ihre Arbeitskleidung angezogen. Über der schwarzen Jogginghose und dem Pulli trägt sie eine dunkle Jacke, darüber eine neongelbe Warnweste. Leise verlässt sie das Haus, um ihre beiden Kinder nicht zu wecken. Der "Zwiebellook" ist wichtig, um für alle Witterungsbedingungen gewappnet zu sein. Sie schiebt ihren schwarzen Roller aus der Garage und bringt die marineblauen, etwas zerfledderten Taschen links und rechts am Roller an. "Die sehen so verschlissen aus, weil die Zeitungen eigentlich viel zu schwer für die Taschen sind", erklärt die 28-jährige, während sie auf den Lieferanten wartet.Der kommt um halb zwei. Zustellerin und Fahrer verladen neun Pakete mit 250 Zeitungen vom gelben Sprinter in die durchsichtigen Plastikboxen am Hang gegenüber von Dörflers Hofeinfahrt. Die Botin schlichtet 45 Exemplare des Fränkischen Tages (FT) und 30 andere Tageszeitungen in jeweils eine Tasche. "Das sind aber nur die Zeitungen für Rettern, mehr schafft der Roller nicht", erklärt Dörfler und düst los auf einem Flurbereinigungsweg.
Nach kaum fünf Minuten hat sie ihren ersten Auslieferungsbezirk erreicht. Nun hält die Frau einen sorgfältig zurecht gefalteten Zettel im DIN A4 Format ins Licht des Rollers, um die Zeitungen den Hausnummern korrekt zuweisen zu können. "Schwierig wird es nur, wenn neue Aufträge zu meiner etablierten Rute dazukommen", schildert sie. Das Austragen selbst hat Dörfler geradezu automatisiert. Präzise wie ein Uhrwerk steckt sie vom Roller aus die Gazetten in die Zeitungsrollen. Doch es gibt auch Probleme. "Bei manchen Häusern darf ich nicht mit dem Roller aufs Grundstück. Die Leute werden vom Motorlärm wach. Und zu Fuß gehen kostet Zeit", klagt Dörfler. Ihren Routenplan hat sie in mühevoller Kleinarbeit mit Karten und mit Hilfe von Google-Maps erstellt. "Ich kann ja nicht immer wieder zurückfahren. Daher musste ich effizienter werden. Und so funktioniert das", schildert sie ihre Vorgehensweise. Allein in dem 316-Seelen Ort legt Sabine Dörfler täglich zweieinhalb Kilometer zurück.
Nach knapp einer Stunde haben alle Abonnenten ihre Zeitung. Über einen Kiesweg fährt die sportlich wirkende Zustellerin weiter nach Kauernhofen, wo die Druckexemplare an der alten Bushaltestelle deponiert sind. Nummer 48 und Nummer 78 sind neu dazugekommen. "Okay, das ist die Seitenstraße und die Hauptstraße", plant Sabine spontan um. Danach fährt sie wieder ihre Ideallinie. Schmale Seitengassen, schnelle Richtungswechsel. Die Flexibilität ihres Rollers macht sich überall bezahlt. "Mit dem Auto wäre ich nicht halb so schnell", findet Dörfler. Auch Kurioses widerfährt ihr immer wieder. So findet sie in dieser Nacht eine hellblaue Männerhose mit Gürtel mitten in einer Einfahrt. Dörfler legt das Kleidungsstück neben die Haustür; auch wenn sie sich wundert, was so mancher auf seinem Heimweg verliert.
90 Minuten später ist sie auch mit Kauernhofen fertig und fährt zurück nach Bammersdorf. Es ist kurz vor vier Uhr. Jetzt trägt sie hier die Zeitungen aus. Um sechs Uhr ist Dörfler fertig. "Danach geht es noch mal kurz ins Bett oder zum Zweitjob", schildert sie komplett verschwitzt. Ihr Job, das ist Ausliefern im Eiltempo. Wertschätzung erfährt sie dafür so gut wie keine. "Ich denke, der Mangel an Zeitungszustellern beruht unter anderem auf diesem Defizit an Aufmerksamkeit. Aber wir machen unseren Job wie jeder andere. Und wir machen ihn gut", zeigt sich Sabine selbstbewusst.