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Gefährlicher Handel

Frauen im Grenzgebiet sind besonders schlecht geschützt vor männlicher und staatlicher Willkür. Foto: Flickr.com/Tom McShane

Der Grenzhandel zwischen Uganda und Ruanda liegt fest in den Händen der Frauen. Sie leben vom Verkauf kleinerer Waren und Lebensmittel. Trotz staatlicher Bemühungen sind viele von Ihnen immer wieder der Willkür der Grenzbeamten ausgeliefert. Sexuelle Übergriffe sind an der Tagesordnung.

Es ist ein strahlender Samstagnachmittag am Grenzabschnitt Gatuna zwischen Uganda und Ruanda. Zwar hat die Sonne schon lange den Zenit überschritten, doch man wird das Gefühl nicht los, dass der Tag hier gerade erst begonnen hat. Menschen überqueren in Scharen die Grenze - manche tragen Handelswaren auf dem Kopf, die meisten schleppen schwerere Koffer.

Inmitten des bunten Treibens befindet sich auch die 32-jährige Janet Uracuza. Sie zieht einen etwa 30-Kilo schweren Koffer hinter sich her. Uracuza ist eine von jenen Frauen, die im Grenzgebiet der beiden ostafrikanischen Nachbarländer Handel betreiben - traditionell ein Geschäft der Frauen. Sie ist nur eine von tausenden Händlerinnen, die täglich im Grenzgebiet zwischen Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo mit Waren des täglichen Gebrauchs handeln.

Als Uracuza 19 Jahre alt war, hat sie damit angefangen - zunächst mit Softdrinks, Kinderbekleidung und lokal hergestellten Waren. Mittlerweile ist sie mit einem LKW-Fahrer verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Kabale, einer Stadt im Südwesten Ugandas. Ihren Beruf würde sie am liebsten sofort an den Nagel hängen. Denn es ist ein hartes, teilweise lebensbedrohliches Geschäft. Viele ihrer ehemaligen Kolleginnen befinden sich im Gefängnis oder sind nicht einmal mehr am Leben, da sie versucht haben vor den harten Steuerbeamten und den Grenzpatrouillen zu fliehen.

Von offizieller Seite gibt es kein Problem

Ein kurzer Besuch in der Stadt Gatuna in Ruanda und dem nahegelegenen Grenzposten Katuna reicht bereits aus, um sich ein Bild von der Lage der Frauen zu machen. In einem Protokoll haben sich die sechs Partnerstaaten der ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) für den freien Grenzhandel ausgesprochen. Er stelle für kleine und mittelständische Unternehmer eine gute Möglichkeit dar, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. In der Realität ist davon ist jedoch nur wenig zu sehen. Uravusas Schilderungen zufolge ist das tägliche Geschäft vor allem durch Schikanen und Bestechungsforderungen der Zollbeamten geprägt.

„Wir alle beten jeden Morgen dafür, dass wir nicht kontrolliert werden und sicher nach Hause zurückkehren können", so Uravusa. Korruption und sexuelle Belästigung gehören an der Grenze zur Tagesordnung und machen den Frauen das Leben schwer. Das bestätigt auch die Händlerin Ruth Tumushabe: „Sollte man von den Sicherheitskräften überprüft werden, fragen sie dich zuerst nach Bestechungsgeld. Hat man nichts, dann verlangen sie Sex. Ansonsten konfiszieren sie einfach deine Waren." Viele ihrer Kolleginnen seien bereits an HIV und AIDS gestorben, nachdem sie zum „ungeschützten" Geschlechtsverkehr genötigt worden waren. Aufgrund mangelnder Kontrollen durch die übergeordnete Einwanderungsbehörde, bleibt das Verhalten der Zollbeamten meist ungestraft. "Sie können sich wie Götter aufführen", sagt Tumushabe.

Ob man es sicher über die Grenze schafft, hängt in erster Linie davon ab, ob gerade ein Kontrolleur vor Ort sei oder nicht. Die Vorwürfe werden von der Gegenseite vehement bestritten: „Diese Anschuldigungen sind uns total neu", wehrt sich einer der Grenzbeamten, der sich als Hizimana Deogratius ausgibt. „Es wurde sich schon immer über uns beschwert. Dabei machen wir doch lediglich unseren Job. Ein paar faule Äpfel bedeuten noch lange nicht, dass wir alle schlechte Menschen sind." Von den ugandischen und ruandischen Einwanderungsbeamten würden solche Vergehen jedenfalls sehr ernst genommen und juristisch verfolgt. „Wir dulden solch ein Verhalten nicht und rufen jeden dazu auf, diese Verstöße sofort an die Behörden zu melden, so dass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können", führt er weiter aus.

Es geht nur langsam voran

Obwohl das Freihandelsprotokoll der ostafrikanischen Staatengemeinschaft schon seit Jahrzehnten Bestand hat, wissen viele der Frauen immer noch nicht, dass sie die Grenze einfach überqueren dürfen, ohne als „Schmugglerinnen" zu gelten. Erst vor Kurzem hat die Legislativversammlung der ostafrikanischen Gemeinschaft eine verbindliche Rechtsvorschrift erlassen, um die nichttariffären Handelshindernisse (engl. NTBs) zu beseitigen. Auf endgültige Umsetzung wird vielerorts noch gewartet, die Schwierigekiten der Händerlinnen im Grenzgebiet spielen bei den Verhandlungen immerhin zunehmend eine Rolle.

So fordert Elizabeth Ampairwe, Projektkoordinatorin der ostafrikanischen Unterstützerinitiative zur Gleichstellung der Frauen (EASSI), von den fünf Partnerstaaten der EAC, endlich ein besseres Umfeld für die Händlerinnen zu schaffen. Denn dadurch entstünden nicht zuletzt wertvolle Multiplikatoreffekte, da die Tätigkeit der Frauen der ganzen Familie zu Gute kommt. „Trotzdem haben diese Frauen noch immer mit vielen Herausforderungen zu kämpfen, die die Profitabilität ihres Geschäfts einschränken", sagt Ampairwe. An den Grenzpunkten gehe beispielsweise enorm viel Zeit bei der Zollabfertigung verloren, besonders, wenn das Stromnetz zusammenbricht und das elektronische System zur Datenerfassung ausfällt. Zudem würden Sprachbarrieren, ungenügende Betriebsmittel und das Verbot Kleinkinder mit über die Grenze zu nehmen viele Frauen daran hindern, ihr Geschäft auszubauen.

Die EASSI hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Einschränkungen abzubauen. So klärt die Organisation die Frauen über die gegenwärtigen regionalen und nationalen Handelsgesetze der EAC auf. Zudem bieten sie Informationen darüber, wie man Geschäftsdaten am besten erfasst und technologische Anwendungen in Geschäftstransaktionen anwendet.

„Wir appellieren an die ostafrikanischen Regierungen ihre Bemühungen für die Händlerinnen im Grenzgebiet auszuweiten. Es muss ihnen schlichtweg einfacher gemacht werden, Geld zu verdienen und damit besser für ihre Familien sorgen zu können", sagt Grace Kashabe, eine Händlerin aus Ruanda. Hinzu kommt, dass viele der Frauen weder lesen noch schreiben können und dem Kiswahili nicht mächtig sind - der Sprache, die meistens im ostafrikanischen Handelsraum gesprochen wird.

Eine Lobby für die Händlerinnen

Folgt man gängigen Expertenmeinungen, dann müssten die ostafrikanischen Partnerstaaten außerdem ihre jeweilige Gesetzgebung besser aufeinander abstimmen, um den Frauen einfachere Kredite zu gewährleisten. Denn neben dem Abbau von Gesetzen, wie es im Protokoll gefordert wird, sei vor allem der Zugang zu finanzieller Unterstützung eines der grundlegenden Hindernisse.

Um ihre Probleme besser adressieren zu können, haben die Händlerinnen bereits eigene Lobbygruppen gegründet, die sich unter dem „Women and Girls Empowerment Project" (WOGE) vereinen. Joyce Bwambale, die Vorsitzende einer dieser Gruppen, gibt zwar an, dass bereits richtige Schritte zur Stärkung der Händlerinnen unternommen wurden, es jedoch noch an vielen Stellen an der nötigen Sensibilisierung mangele. Obwohl die regionalen Regierungen bereits viel getan hätten, müsse noch einiges passieren, um die freie Bewegung von Menschen und Gütern zu vereinfachen: „Es begegnen uns immer noch zahlreiche Hürden - vor allem die langatmige Zollabfertigung ist Teil des Problems." Trotz all der Erleichterungen, blieben die Grenzpunkte durch ein Übermaß an Bürokratie völlig überfüllt. „Dadurch werden die Frauen förmlich zum Schmuggeln gezwungen", ergänzt Bwambale.

Dem stimmt auch die ugandische Handelsministerin Amelia Kyambadde bedingt zu. Zwar sei schon einiges geschehen, um die nichttariffären Handelshindernisse aus dem Weg zu räumen, jedoch würde die Stärkung der Frauen durch einen langwierigen, nicht-standardisierten Dokumentationsprozess an der Grenze immer noch erschwert. „Die EAC Staaten müssen noch mehr unternehmen, damit die Frauen stärker vom Protokoll der EAC profitieren."

Die Politik scheint nur bürokratische Antworten auf die Situation der Händlerinnen zu finden. Derweil setzt sich die Bedrohung durch Grenzbeamte täglich fort, ganz unbürokratisch.


Text: Patrick Jaramogi

Übersetzung & Redaktion: Andreas Boneberg



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