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Kleiderschmuggel statt Diplom

Foto: Michelle Chifamba

Für junge Simbabwer ist es momentan nahezu aussichtslos eine Anstellung zu finden. Einige von ihnen lassen sich nicht entmutigen und versuchen sich mit einer unkonventionellen Geschäftsidee: Dem Schmuggel von Second-Hand-Kleidung aus Mosambik.


Tatenda Muvirimi (28) aus Kuwadzana, einem Vorort der simbabwischen Hauptstadt Harare, fährt ein schickes Auto und besitzt ein Haus mit fünf Zimmern. Denn er verdient gut: mit Kleiderschmuggel. Viele seiner Freunde haben in den letzten fünf Jahren an einer Hochschule in Simbabwe ihren Abschluss gemacht und danach keine Festanstellung bekommen. Etliche sind nach Südafrika ausgewandert, um dort ihr Glück zu versuchen.

Für Muvirimi hingegen war ein Anstellungsverhältnis nie erstrebenswert. Er besuchte nicht einmal eine Hochschule. Kurz nach seinem Schulabschluss im Jahr 2002 begann er mit seiner selbstständigen Tätigkeit. "Ich war nie besonders gut in der Schule. Meine Eltern haben mich damit immer aufgezogen. Aber jetzt fällt die Wirtschaft in sich zusammen, und es sieht nicht so aus, als ob der Schlüssel zum Erfolg in der Bildung liegt", prahlt Muvirimi, der mehr verdient als ein Angestellter im öffentlichen Dienst. Alle zwei Wochen fliegt er nach Mosambik, „um zumindest zwei Ballen gebrauchter Kleidung zu kaufen, die ich dann von anderen über die Grenze schmuggeln lasse. Ich verdiene mindestens 500 US-Dollar pro Woche, in einer guten Woche mehr", sagt er.

Schmuggel als Geschäftsmodell

Im vergangenen Jahrzehnt erlebte Simbabwe einen wirtschaftlichen Zusammenbruch. Die produzierende Wirtschaft ging förmlich unter. Seitdem ist der Lebensstandard so weit gesunken, dass das Geschäft mit Second-Hand-Kleidung boomt. Dem simbabwischen Gewerkschaftsbund ZCTU zufolge verlieren wöchentlich etwa 450 Personen ihren Job. Da Mieten bezahlt und Familien ernährt werden müssen, haben viele den wachsenden Second-Hand-Markt für sich entdeckt. So auch Zivanayi Mabhugu: Der 30-Jährige ist zweifacher Familienvater und verlor im Dezember 2013 trotz seines Master-Abschlusses seinen Job. Er entschied sich Second-Hand-Kleidung zu verkaufen, da dafür nur ein geringes Startkapital notwendig ist. "Ich habe bei einem Kredithai ein Darlehen aufgenommen und dann damit begonnen, Kleidung von Lieferanten in Mbare (Vorort von Harare, Anm. d. Red.) zu kaufen", sagt Mabhugu. "Erst nach drei Monaten habe ich den ersten Gewinn erzielt. Nur wenn man vollkommen bei der Sache ist und bereit Risiken einzugehen, kann man mehr verdienen."

Mittlerweile verdient Mabhugu 900 US-Dollar im Monat. Er kann sich ein schönes Haus leisten und das Schulgeld für die Kinder bezahlen. "Der Kleiderschmuggel hat den Platz der lokalen Bekleidungsbranche eingenommen und neue Jobs geschaffen", sagt er. "Es gibt Werber auf den Flohmärkten, die die Kunden anlocken, andere, die die Ballen zusammenpacken und zu den Lagern fahren und jene, die einfach Tragetaschen verkaufen. Und alle verdienen mit."

Richtlinien nur auf dem Papier

Das Industrie- und Handelsministerium möchte die Schmuggler wegen Steuerhinterziehung zur Rechenschaft ziehen. Gleichzeitig gibt das Ministerium jedoch auch zu, dass es nicht genügend unternimmt, um den Bedarf an Textilien zu decken. "Simbabwe verfügt über 16 Textilfabriken, aber aufgrund fehlender Investitionen und der Schließung anderer Unternehmen sind sie nicht in der Lage zu produzieren. Wir machen uns große Sorgen über Simbabwes Scheitern in der Herstellung und dem Export von Textilien", teilte Alice Mabuwa, stellvertretende Ministerin für Industrie und Handel, vor kurzem im Parlament mit.

Im Jahr 2013 erstellte die Regierung die "Agenda für Simbabwes nachhaltige sozio-ökonomische Transformation", die auf nachhaltige Entwicklung und soziale Gerechtigkeit abzielt. Im Fokus stehen die Stärkung der heimischen Produktion, Förderung von Innovation und Entwicklung von Arbeitsplätzen. Sozial- und Wirtschaftsexperten zufolge befindet sich das Land dennoch im Chaos, da die Richtlinien nur auf dem Papier existierten. „Das Geschäft mit den billigen Textilien floriert. Das ist ein Anzeichen dafür, dass hier Reformen nötig sind. In einem Land wie Simbabwe darf der Akt des Kleiderschmuggels nicht kriminalisiert werden. Schließlich haben die Leute keine Arbeit und müssen trotzdem irgendwie überleben", sagt der Wirtschaftsexperte Trust Hamandishe. Solange die politische und ökonomische Krise weitergeht, wird der gewöhnliche Simbabwer also gebrauchte Kleidung auf der Straße kaufen. Muvirimi und Mabhugu werden mit Freude für Nachschub sorgen.


Text: Michelle Chifamba

Erstveröffentlichung: Making a living in Zimbabwe by smuggling second-hand clothes


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