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"Urlaub vom Patriarchat": Ausstellung zu Care-Arbeit und Rollenbildern

Das Künstler*innenkollektiv "Feminsitische Zusammenkunft" möchte mit einer Ausstellung Rollenbilder und Stereotype auflösen.

Wer, eines „Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise", Unterstützung bei Schwangerschaftsabbrüchen „anbietet, ankündigt oder anpreist" hat nicht mit „einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe" zu rechnen, sondern der „informiert". So steht es zumindest in der Fassung des Paragraphen 219a des Strafgesetzbuches die bei der Ausstellung des Künsler*innenkollektivs Feministische Zusammenkunft (FeZ) auf die Wand der Ausstellungshalle des Instituts für Kunstpädagogik projiziert wird.

Es handelt sich dabei um eine Installation bei der Gesetzestexte durch das Publikum umgeschrieben und mit einem Tageslichtprojektor an die Wand geworfen werden können. Was dort steht, verhält sich konträr zum Urteil des Landesgerichts in Gießen. Dieses hat erst vor wenigen Tagen ein durch das Amtsgericht gefälltes Urteil gegen die Ärztin und Gynäkologin Kristina Hänel bestätigt: Eine Geldstrafe von 6000 Euro wegen unerlaubter „Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche. Dabei hat Hänel lediglich Informationen auf Nachfrage angeboten.

Gegen die Fremdbestimmung von Körpern

Das Künstler*innenkollektiv Feministische Zusammenkunft möchte gegen solche Fremdbestimmung mit der über das Wochenende laufenden Ausstellung „Camping and Caring" ankämpfen. „Wir wollen einen Raum schaffen, indem alle sozusagen Urlaub vom Patriarchat machen können", erklärt die Gruppe gemeinschaftlich am Rande der Ausstellung und spielt damit auf ein Stück der Theatergruppe „Spaßverderber*innen" an. Die künstlerische Aktion richte sich gegen „ein Patriarchat das sich auch in Gesetzen ausdrückt".

Die Ausstellung soll nicht nur ein Ort sein, an dem Kunst konsumiert wird, sondern ein praktischer Raum, indem Menschen aktiv werden können. Dabei hat sich die Gruppe auf einen Drahtseilakt begeben, der allerdings ganz gut das Spannungsverhältnis von Rollenbildern ausspricht. „Wir haben uns vorgenommen einen privaten Raum zu schaffen, der aber zugleich öffentlich ist." Dabei wird die Halle des Kunstinstituts für die Künstlerinnen zum Ausstellungsraum und Schlafplatz zugleich. Um ein Feuer und einen Kreis weicher Kissen befinden sich aus Pappmaché gebaute Zelte. Nachts sind sie die privaten Schlafräume der Ausstellenden, tagsüber werden sie selbst zur Ausstellung. Es wird gemeinsam gekocht und gefrühstückt. In einer Ecke der Halle ist spontan eine Wickelecke entstanden.

Von der Kunst in die Praxis

Die Fez ist eine offene Gruppe, die sich seit Februar trifft. „Einige von uns studieren hier am Institut für Kunstpädagogik, andere befinden sich überhaupt nicht im universitären Kontext. Wir wollen uns gerade beim Kunstmachen gegen ein Konzept von Autor*innenschaft verweigern. Die ausgestellten Stücke einzelnen Personen zuzuordnen, trifft unsere Arbeit nicht", erklärt das Kollektiv das Konzept. Alle ausgestellten Arbeiten sind Gemeinschaftsarbeiten. Es gehe vielmehr darum die Exklusivität aus dem Kunstbetrieb herauszunehmen und ihn für alle zu öffnen. „Das hat auch gestern bei der Auftaktvernissage ganz gut funktioniert." In einem „Carehütchen" hat die Gruppe verschiedene Aufgaben gesammelt. Die konnten dann von allen Anwesenden gezogen und bewältigt werden. „Am Ende war vielen gar nicht mehr klar wer sich jetzt in welcher Rolle befindet."

Die Straße als Ort des feministischen Kampfes

Dieses Ineinanderfließen von Rollen, das auch ein Stück weit dazu führt das Normen verwischt werden, ist ein großer Bestandteil der Ausstellung. Eine Videoinstallation spielt mit der Erwartungshaltung der Betrachtenden an Körperlichkeit. Ein Diaprojektor projiziert Glasmalereien auf sich bewegende Körper. Die Nahaufnahmen sind so fließend und flüchtig von einem Körperscanner abgenommen, „dass sich die Körperdefinitionen und damit die Zuordnung zu bestimmten Geschlechtern komplett auflösen." Ein Zustand den das Kollektiv auch von den gesellschaftlichen Rollen fordert. „Carearbeit (engl. Fürsorge) wird meist als weiblich wahrgenommen." Meist bleibt diese Arbeit unsichtbar oder schlecht bezahlt.

Für Sonntag 12 Uhr ist eine Überraschungsaktion angekündigt. „Uns ist bewusst dass einige von uns in ihrer Rolle als Studierende eine privilegierte Position einnehmen. Bei der Aktion soll es darum gehen diese Blase zu verlassen und die Kunst in den öffentlichen Raum zu tragen." Sie riskiere sich dabei ebenso wie Körper die im politischen Kontext auf der Straße riskiert werden.

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