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Geflüchtete in Deutschland: Asylbewerberleistungsgesetz als Hürde

Irgendwer in Mailand kaufte Familie Ali-Deeb ein Zugticket. Das Ziel der Reise: Soweit die Ersparnisse tragen. Im August 2014 erreichte die sechsköpfige Familie aus Syrien den Hauptbahnhof in München – und machte dort die Bekanntschaft der Bundespolizei. Papiere und Ausweise werden beschlagnahmt und die geflüchtete Familie in einer Notunterkunft untergebracht. Im April 2015 sitzt der 41-jährige Mohammed Ali-Deeb im Hof eines vom Sozial- und Versorgungsamt des Landkreises bereitgestellten Hauses in Ilsfeld-Auenstein. Dort lebt er nun mit seiner Frau und den vier Kindern.

„Seit vier Jahren wird Daria, ein Vorort von Damaskus, täglich von der Nationalgarde bombardiert und belagert.“ Es war ein Leben, das für die Familie nicht mehr erträglich war, übersetzt der ebenfalls aus Syrien stammende Imad Selo die Worte des Familienvaters. Zusammen mit 20 anderen ehrenamtlichen Helfern kümmert sich der seit 40 Jahren in Deutschland lebende Selo um Flüchtlinge aus Syrien. Darunter die Familie Ali-Deeb.

Arbeitsrecht erschwert Asyslsuche

Zurzeit stellt die Familie einen Asylantrag: „Das Verfahren kann sich acht bis zwölf Monate oder auch länger ziehen“, weiß Selo. Eine für die Familie harte Zeit: „Wir haben keine Papiere. Meine Frau und ich haben keine Arbeitserlaubnis und keinen Anspruch auf einen Sprachkurs“, beschreibt Mohammed Ali-Deeb die schwierige Lage. „Wir werden notversorgt. Für jeden von uns gibt es eine Matratze, eine Decke, ein Glas, einen Teller und Besteck.“ Dazu gibt es Töpfe und einen Kühlschrank.

Eine Arbeitsgenehmigung erhalten Asylbewerber erst nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland. Am ersten März ist das neugefasste Asylbewerberleistungsgesetz in Kraft getreten. Eine Vorrangigkeitsklausel für EU-Bürger sieht vor, dass eine Stelle nur dann von einem Asylbewerber angetreten werden kann, sofern kein EU-Bürger diese annimmt. Stattdessen können Asylbewerber eine Ein-Euro-Stelle bei staatlichen,kommunalen und gemeinnützigen Trägern antreten. Sofern eine solche zur Verfügung steht.

Ein Anspruch auf Sprachkurse besteht erst bei Annahme des Asylantrags. Beides wirkt sich aber positiv auf das laufende Verfahren aus. Während des Verfahrens wird Notversorgung einer der zentralen Begriffe im Leben der Familie Ali-Deeb bleiben. Medizinisch steht Flüchtlingen eine ärztliche Notversorgung zu. Allerdings nur bei akuten Schmerzen. Eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse ist nicht vorgesehen.

Mit dem neugefassten Asylbewerberleistungsgesetz steht der sechsköpfigen Familie seit ersten März für das Lebensnotwendigste eine monatliche Pauschale von rund 500 Euro zu: „Das Nötigste, das sind Lebensmittel, Kleidung und Hygieneartikel. Miete und Heizkosten übernimmt das Versorgungsamt“, berichtet Selo. Kareem (5), Sedra (7), Rova (10) und Rama (13) gehen in den Kindergarten beziehungsweise in die Schule. „Sie spielen viel mit den Nachbarskindern“ erzählt Mohammed Ali-Deeb. In der Steinbeisschule in Ilsfeld erhalten sie jeden Tag vierstündige Intensivkurse.

Integrationskurse und Qualifikation

Auch Mohammad(16) und Emina(15) Abassi nehmen auch an den Kursen teil. Sie leben mit ihrem Bruder Youssef (6) und den Eltern Mahmood und Aswaa nun schon seit Oktober 2013 in Deutschland. „In der Schule bringen uns drei Lehrer Deutsch, Mathe und Englisch bei“, erzählt Emina. Im Juni 2014 wurde der von der Familie Abassi gestellte Asylantrag angenommen, und die Familie erhielt einen auf drei Jahre beschränkten sogenannten Aufenthaltstitel.

„Als Flüchtling haben Sie in Deutschland drei Probleme. Die Suche nach Arbeit, einer Wohnung und die Sprache“, benennt Selo die Schwierigkeiten. Mittlerweile haben Mahmood und Aswaa Abassi eine Arbeitsgenehmigung. Die Familie ist pflichtversichert und erhält Arbeitslosengeld II. „Ich bin gelernter Maler“, sagt Mahmood Abassi. „Nur finde ich in Deutschland schwer eine Anstellung, weil mein syrischer Ausbildungsabschluss nicht voll anerkannt wird.“

Auch die Wohnungssuche sei ein großes Problem gewesen, berichtet Selo, der die Familie ehrenamtlich unterstützt: „Die Vermieter haben unterschiedliche Vorstellungen. Sie verlangen ein sicheres Einkommen, dulden manchmal keine Kinder im Haus oder mögen keine Ausländer.“ Dazu kommt die Sprachbarierre: „Meist fordern Arbeitgeber das Sprachniveau B1 oder B2. Es dauert, diese Fähigkeiten zu erwerben.“ Daher nehmen Mahmood und Aswaa Abassi an einem 660-stündigen Integrationskurs teil,den das Bundesministerium für Flüchtlinge mit Aufenthaltstitel in Heilbronn anbietet.

„Integration“, meint Imad Selo, „heißt für mich, die Leute an die Hand zu nehmen. Wer das Recht hat, per Gesetz hier zu bleiben, muss auch qualifiziert werden, hier zu leben.“ In drei Jahren wird darüber entschieden ob der Aufenthaltstitel der Familie Abassi verlängert wird.