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Wissen Raver überhaupt, dass Techno Schwarz ist?

Wie viele andere Kunstformen, gäbe es ohne Schwarze Künstler*innen keinen Techno. Viele wissen das nicht – und das ist Teil des Rassismus-Problems. Eine kleine Geschichtsstunde für Raver.

Ich weiß, David Guetta ist nicht gerade das beliebteste Aushängeschild der Techno-Szene, aber er gehört zu den Vertreter*innen, die die breite Masse mit elektronischer Musik in Verbindung bringt. Es hat daher eine ganz besondere Komik, dass genau dieser Typ, die "weißeste Antwort auf Rassismus" liefert. Denn von Techno über EDM bis Jungle gibt es ein großes Problem: Die Schwarzen Wurzeln der Musik werden nicht wertgeschätzt. Tatsächlich sind sie den meisten nicht einmal bekannt.

In einem aktuellen Video hört man Guetta sagen, er habe gestern einen besonderen Track zu Ehren von George Floyd produziert. "Ich hoffe wirklich, dass wir mehr Einigkeit und mehr Frieden sehen können, wenn die Dinge schon so schwierig sind", sagt er und dann legt er los: Über einen Track mit Martin Luther King "I Have a Dream"-Sample schreit Guetta ein "Shoutout an [Floyds] Familie" und lässt den Beat droppen.

Man hat das leise Gefühl, er hat die Sache noch nicht richtig verstanden und dient für diesen Artikel daher als perfekter Aufhänger dafür, welche Diskrepanz zwischen dem Schwarzen Ursprung von Techno und dessen heutiger Mainstream-Wahrnehmung sowie den im Mainstream führenden Künstler*innen (weiße Cis-Männer) liegt.

Es folgt deshalb eine kleine Einführung in die Geschichte, der Tracks auf denen du beim letzten Rave auf Teilen durch den Club gerollt bist.

Techno ist Schwarz und kommt aus Detroit

Die Geburtsstätte des Techno ist Detroit, eine Stadt im Südosten des US-Bundesstaates Michigan. Als Gründerväter oder "Heilige Dreifaltigkeit des Techno" kennt man Juan Atkins, Kevin Saunderson und Derrick May, aka "The Belleville Three". Die drei Schwarzen Männer wachsen gemeinsam auf und machen Beats, entwickeln sich zu professionellen Produzenten, gründen ihr eigenes Label "Metroplex" und definieren so in den 1980ern eine neue Underground-Szene in Detroit. Wenig später wird Detroit Techno auch im Ausland zu einer der beliebtesten Musikformen – und damit haben die "The Belleville Three", allen voran Juan Atkins, den Grundstein für die Techno-Tracks auf deinem letzten Rave gelegt.

Die Musik mit der "The Belleville Three" in den 1980er-Jahren die Detroiter Szene definieren, ist eine Mischung aus Funk, Jazz, Soul, Chicago House, New York Disco, deutschem Synth-Pop (Kraftwerk!), Italio-Disco und Motown. Viele der ersten Techno-Partys fanden übrigens in Underground-Schwulenclubs statt. Techno ist also nicht nur Schwarz, sondern auch queer.

Deine Lieblingsmusik existiert wegen Schwarzen Menschen

Die US-amerikanische Journalistin Jenzia Burgos fasste es in ihrem Instagram-Post wunderbar zusammen: "Wenn du die Geschichte Schwarzer Künstler*innen hinter deiner Lieblingsmusik nicht kennst, dann kennst du deine Lieblingsmusik gar nicht wirklich."

Viele wollen sich mit der Frage nach der Bedeutung von Musik im Sinne von race, Klassen, Gender, Sexualität, Religion und Nation nicht auseinandersetzen, schreibt Burgos – aber "dieser 'hands-off'-Ansatz verkennt völlig die Arbeit, die Schwarze Künstler*innen in eine Industrie gesteckt haben, die wir alle täglich konsumieren – eine Industrie, die es bis heute versäumt, [Schwarze Menschen] fair anzuerkennen, zu unterstützen und zu schützen."

"Amerikanische Musik ist Schwarze Musik"

"Vorsätzliche Ignoranz ist genau das, was die Musikkonzerne wollen. Sie wollen in der Lage sein, Schwarze Künstler*innen leicht in monolithische Genres zu kategorisieren (aka zu segregieren) – siehe "urban". Sie wollen nicht, dass du weißt, dass amerikanische Musik Schwarze Musik ist. Period", so die Journalistin. (Den Mic-drop musst du dir dazu denken.)

Das gilt übrigens nicht nur für Musik: Deine liebsten Filme, Mode, Kunst, Hobbys und sonstigen Interessen haben nicht selten ihren Ursprung in Schwarzer Kultur. Sich damit auseinanderzusetzen, woher die Dinge, die man liebt, eigentlich kommen, schließt deshalb nicht nur Wissenslücken, sondern hilft auch dabei, Schwarzer Kultur und Schwarzen Künstler*innen die Stellung und Wertschätzung zu geben, die ihnen gebührt.