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Interview

JoJo im NOIZZ-Interview über ihr Comeback, Aufwachsen im Rampenlicht und Selbstliebe

Mit "Leave (Get Out)" ist JoJo im Jahr 2004 berühmt geworden. Sie war damals gerade einmal 13 Jahre alt. Seitdem ist viel im Leben der US-Sängerin passiert – und jetzt feiert sie ihr verdientes Comeback! NOIZZ hat mit JoJo über ihre Erfahrungen als Teenie in der Branche, Badass Women und Self-Love gesprochen – und sich währenddessen schockverliebt.

JoJo ist zurück! Bei dieser Nachricht wurde ich direkt 16 Jahre zurückversetzt in mein Kinderzimmer, in dem ich lauthals "Leave (Get Out)" mitsinge – der Song von 2004, mit dem die US-Sängerin im Alter von erst 13 Jahren berühmt geworden ist. JoJo ist eine Ikone der 2000er, jedes Kind, das in den 90ern aufgewachsen ist, kennt die heute 29-Jährige. Doch nach dem ersten Album "JoJo" war es hierzulande still geworden um das junge Mädchen mit der Powerhouse-Stimme. Mit ihrem neuen Album "Good to Know", das am 01. Mai erschien, macht Joanna Noëlle Levesque jetzt ein Comeback, das sich gewaschen hat.

Als ich mich in die Vorbereitung für das Interview begebe, wusste ich, dass ich mit JoJo übers Erwachsenwerden und ihr neues Album sprechen möchte, in dem es oft um Selbstliebe und neue persönliche Erkenntnisse geht. Am Ende der Vorbereitung ist aber klar, dass das nicht die einzigen Themen bleiben werden. Denn in der Zwischenzeit, in der wir kaum etwas von JoJo gehört haben, ist so einiges in ihrem Leben passiert – leider auch viel Negatives.

Wieso man JoJo nur bewundern kann

JoJo stammt aus aus ärmlichen Verhältnissen, wuchs mit der Drogensucht des Vaters auf, der Ende 2015 an den Folgen der Abhängigkeit verstarb. Da befand sich JoJo noch mitten in dem fast jahrzehntelangen Rechtsstreit mit dem Label, das sie mit 12 Jahren unter Vertrag genommen hatte. Erst im Jahr 2014 konnte JoJo endlich aus dem Vertrag mit "Blackground Records" aussteigen. Während des Streits konnte die Sängerin keines ihrer Lieder veröffentlichen, nur kostenlose Mixtapes online stellen. Das Label hatte die Rechte an ihrer Stimme und sie musste dabei zusehen, wie ihre Karriere auf Eis gelegt wurde.

JoJo sprach Anfang des Jahres mit "Uproxx" darüber, dass sie nach dem Label-Zoff unter Depressionen litt, die sie versuchte, mit Drogen und Alkohol zu bekämpfen. Dass die heute 29-Jährige erhobenen Hauptes und gewachsen aus der ganzen Misere herausgekommen ist, löste bei mir eine krasse Bewunderung für diese Frau aus. Sofort war klar, dass ich mit JoJo auch über Badass Women sprechen will – darüber welche Erfahrungen sie gemacht hat als 13-jähriges Mädchen in der Musikindustrie und auch über mentale Gesundheit. Sensible Themen, aber JoJo war ein absoluter Engel: Supernett, supercool, ausdrucksstark – und woke. Ich war schockverliebt. Und ihr seid es gleich auch.

2000er-Ikone JoJo im NOIZZ-Interview

NOIZZ: Du hast Anfang Mai dein neues Album "Good to Know" (auf deutsch, "gut zu wissen") veröffentlicht. Wofür steht der Titel? 

JoJo: Ich habe mich dabei ertappt, wie ich diesen Satz oft gesagt habe. Während der Arbeit an dem Album habe ich viel über mich selbst gelernt. Meine Handlungsmuster, Bewältigungsmechanismen und die Wege, in denen ich als Frau und in meiner Freiheit als Künstlerin wachsen wollte.

Seit deinem letzten Album sind vier Jahre vergangen. Wie kam es dazu?  

JoJo: Vier Jahre sind eine lange Zeit. Ich möchte mir nie wieder so viel Zeit nehmen. Es waren Umstände, die sich hinter den Kulissen abspielten. Verschiebungen beim Label-Vorstand und industriepolitisches Zeug, in das ich leider hineingezogen wurde. Es lag also nicht daran, dass ich keine Musik gemacht habe, sondern wir wollten nur sichergehen, dass ich vom richtigen Team unterstützt werde. So unbefriedigend diese Antwort auch ist, sie ist wahr.

"Man" ist deine erste Single aus dem neuen Album. Es geht darum, sich zukünftig nur auf einen Mann einzulassen, wenn er auf dem eigenen Level ist, aber vor allem darum, den eigenen Selbstwert zu kennen und sich selbst zu lieben. Warum hast du den Song als erste Single gewählt? 

JoJo: Ich dachte, 'Man' wäre eine großartige Möglichkeit, diese neue Ära einzuläuten, in der ich mich selbstbewusst fühle – oder mich zumindest in diese Richtung bewege (lacht). Es gibt nämlich Zeiten, in denen ich die Lieder schreibe, die ich selbst zu dem Zeitpunkt hören muss. Es geht darum, die Erfahrung des Single-Daseins zu genießen und zu erkennen, dass derjenige, der als nächster ernsthaft in meinem Leben sein wird, jemand ganz Besonderes sein muss. No settling!

Wie bist du zu diesem Selbstvertrauen gekommen?

JoJo: Für mich war es ein Prozess. In diesem Album geht es sehr viel darum: Sich unwohl in der eigenen Haut fühlen und dann an einen Ort kommen, an dem man sich mit den Problemen auseinandersetzt. Wo man mehr Mitgefühl für sich selbst oder andere haben kann, wo man sich selbst mehr lieben kann. Am Ende kommen wir an einen Ort, an dem wir an die Tür der Selbstliebe oder -akzeptanz klopfen. Aber es ist ein Prozess. Ich glaube nicht, dass ich an diesem Ort ankommen und dann einfach da bleiben werde. Jeden Tag muss ich daran arbeiten.

Gestern war Muttertag. Ich habe online gesehen, dass du ihn auch mit deiner Mum gefeiert hast. Ich finde, der Muttertag ist nicht nur ein Tag für die Frauen, die uns zur Welt gebracht haben, sondern für alle starken Frauen in unserem Leben und auf der Welt. Was bedeutet Frausein für dich? 

JoJo: Frauen tun Dinge oft mit einer solchen Anmut. Du weißt nie, was sie durchgemacht haben, weil sie es von außen nicht zeigen. Das muss aber nicht für alle Frauen gelten. Frauen gibt es in verschiedenen Expressionen, Formen, Größen und Repräsentationen.

Außerdem: unsere Fähigkeit zu lieben und immer wieder zu geben, zu widerstehen, zu überwinden. Ich möchte mehr Frauen in Machtpositionen sehen. Die Tatsache, dass es in anderen Ländern, darunter auch in Deutschland, weibliche Führungspersönlichkeiten gab, zeigt, dass wir als Amerika noch einen langen Weg vor uns haben, um das volle Potenzial von Frauen zu erkennen und zum Ausdruck zu bringen. 

Du warst 13 Jahre alt, als "Leave (Get Out)" herauskam. Hattest du damit zu kämpfen, dass du aufgrund deines Alters nicht ernst genommen wurdest oder vielleicht auch, weil du eine Frau in der Branche warst?

JoJo: Ich meine, es ist schwer, eine 13-Jährige ernst zu nehmen. Period. (lacht) 13-Jährige sind Kinder, also finde ich es im Nachhinein fair, dass es diese Annahme gab. Ich selbst aber habe mich so ernst genommen. Ich singe professionell, seit ich sechs Jahre alt bin. Mich hat das damals schon genervt. Es gab niemanden in meinem Alter, also fühlte ich mich in gewisser Weise sehr allein. Ich hatte eigentlich niemanden, der zu der Zeit etwas Ähnliches durchmachte.

Was das Frausein betrifft: Ja, wenn du nach links und rechts schaust und einfach keine Frauen in Machtpositionen siehst, dann beeinflusst das schon das, was du für möglich hältst.


Ich war 10 Jahre alt, als ich zu "Leave (Get Out)" in meinem Zimmer tanzte. Das ist 16 Jahre her.

JoJo: Aw!

Das brachte mich zum Nachdenken: Du warst damals 13 Jahre alt. Erwachsenwerden, besonders die Teenagerjahre, ist für alle nicht gerade einfach, aber du standest noch dazu im Rampenlicht. Wie schaust du heute auf diese Zeit zurück? 

JoJo: Es war so eine verrückte Art, meine Karriere zu beginnen und diese Art von Erfolg so jung zu haben, aber ich betrachte die Dinge einfach als das, was sie sind. Das ist eine weitere Sache, die 'good to know' bedeutet: Es ist, was es ist. Es ist weder gut noch schlecht, es ist nur Information.

Ich durfte meinen Traum leben – und ich tue es immer noch. Es begann bei mir einfach früher als bei den meisten Menschen. Es ist schwer, wirklich zu wissen, wie besonders es ist, was man tut, wenn man so jung ist. Mit besonders meine ich einfach wie dope es ist, die Welt bereisen zu können für Menschen, die deine Musik lieben und dich unterstützen wollen. Ich bin heute viel dankbarer für diese Art von Leben, die ich leben darf, als ich es damals je hätte sein können.  

Du wirst dieses Jahr 30 Jahre alt. Wie fühlst du dich, wenn du auf deine 20er zurückblickst, und was erhoffst du dir von deinen 30ern?

JoJo: Ich möchte keine Erwartungen daran knüpfen. Meine 20er waren vor allem am Anfang so seltsam und so unbequem, dass ich jetzt, da ich Ende 20 bin, ein bisschen ausatme. Ich werde einfach tiefer in mich gehen, weiter wachsen, mich weiterentwickeln und präsenter sein und nicht dieselben Fehler machen. Ich bin einfach sehr zuversichtlich, dass ich mich weiter verbessern werde. 

Du hast dich vor Kurzem zu deiner persönlichen Erfahrung mit dem Thema psychische Gesundheit geöffnet. Gerade in der jetzigen Situation mit Corona gibt es viele Menschen, die mit ihrer Mental Health zu kämpfen haben. Wie gehst du mit dieser aktuell sehr unsicheren Zeit um, um gesund zu bleiben? 

JoJo: Es ist sehr wichtig, die Dinge mit jemandem zu besprechen, dem man vertraut. Wenn man eine Person im Leben hat, an die man sich anlehnen kann und bei der man verletzlich sein kann, ist das wirklich sehr wertvoll. Es ist auch nichts falsch daran, sich Hilfe zu suchen, wenn man sie braucht. Ob das nun von einem professionellen Therapeuten kommt, oder von woanders. Es gibt so viele verschiedene Therapieformen.

Ein weiterer hilfreicher Tipp, um bei Verstand zu bleiben, ist, aktiv zu bleiben, eine Verstand-Körper-Verbindung aufzubauen und die Herzfrequenz zu erhöhen. Bevor die Quarantäne kam, bin ich gern ins Fitnessstudio gegangen. Bewegung erzeugt im Grunde genommen in unserem Gehirn diese kostenlosen natürlichen Drogen, die uns helfen können, uns gut zu fühlen. Wir sollten einfach alles tun, was wir können, um diese Prozesse zu unterstützen. 

Was ist deine Erfahrung mit Body Image und Body Shaming als eine Frau, die in der Öffentlichkeit steht?

JoJo: Wir alle als Frauen erhalten in dieser Gesellschaft Botschaften, ob wir uns ihrer bewusst sind oder nicht, die uns zeigen sollen, woran unser Selbstwert hängt. Wir haben so viele Beispiele für verschiedene Arten von Schönheit, aber wenn jemand als 'mutig' oder was auch immer bezeichnet wird, weil er seinen Körper zeigt – das ist einfach die Art von Botschaft, die beleidigend ist.

Zwischen hauptsächlich veganem Essen und einem aktiven Lebensstil und viel Ausprobieren bin ich heute an einem Ort, an dem ich mich in meiner Haut wohlfühle. Früher habe ich trainiert, weil ich über meinen Körper verärgert war. Jetzt trainiere ich, weil ich meinen Körper feiere. Diese Intentionalität ist sehr wichtig. Ich habe nur einen Körper und will mich um ihn kümmern. Es fühlt sich einfach gut an.

Was steht als nächstes an für JoJo? 

JoJo: Mehr Musik! Es wird nie wieder eine Lücke von vier Jahren zwischen Alben geben. Es gibt einfach keinen Grund. Mehr Musik, mehr Visuals – und ich freue mich sehr darauf, wieder auf Tour zu gehen. Das ist etwas, was ich wirklich vermisse.