Selten bin ich sprachlos, eigentlich nur im Schock. Vor Kurzem erlebte ich einen dieser Momente online. Ich nutze täglich verschiedene soziale Medien und finde dort Amüsement und Inspiration. An diesem Tag nicht: Auf Instagram, einer Plattform für Fotos, erfahre ich, dass ein junger Familienvater plötzlich verstorben ist, und merke, wie schwierig diese App eigentlich ist. Man nimmt am Leben fremder Menschen teil, folgt ihnen, weil man anfangs mal ein Video lustig oder ein Outfit abgefahren fand. Irgendwann hat man sich daran gewöhnt, an einem Leben teilzuhaben. Täglich das bunte Bild eines fremden Alltags vom Handybildschirm zu wischen ist schon ein Ritual. Mit der Zeit sieht man Schwangerschaftsbäuche wachsen und liest Geburtsberichte, irgendwann sind diese Fremden einem näher als die Nachbarn. Ein wenig voyeuristisch ist das schon.
Als zwischen den vielen Bildern auf einmal der Tod auftaucht, ist das ein Schock. Der Verstorbene sieht auf den Fotos nicht viel älter aus als mein Mann. Ich muss schlucken. Viele fröhliche Familienbilder ergeben in dem Account ein buntes Puzzle, in Sekundenschnelle habe ich einen Eindruck seines Alltags. Vorbei? Warum? Wie kann Gott das nur zulassen? Wenn er existiert, warum handelt er nicht? Dieser Frage wird viel theologische und philosophische Reflexion gewidmet. Das Leid stoppen kann das nicht. Den Gottesglauben aber auch nicht. Ich halte mich an Systematiker, für die sich an der Realität des Bösen gerade erweist, dass es Gott überhaupt gibt und die Welt der Erlösung bedarf. Wenn es ihn nicht gäbe, woher stammt dann das Gute?, frage ich mich.
Die Follower starten eine Spendenaktion. Das rührt mich. Über einen Online-Anbieter überweisen sie Geld. Eine nette Idee. Auch ich überweise einen kleinen Betrag. Es fühlt sich falsch an, davon zu lesen und nichts zu tun. Über 15.000 Euro kommen zusammen. Fünfzehntausend! Ich staune. Man kann den sozialen Medien Oberflächlichkeit vorwerfen, dass sie aber auch ein solches Maß an Empathie ermöglichen, beeindruckt mich. Es offenbart aber auch ihre Macht. Die Instagram-Gemeinde hat in Sachen Lebensbegleitung viel erreicht. Und wer genau hinsieht, stellt schnell fest, dass dort neben Mode, Partys und Lifestyle die großen Fragen des Lebens ebenfalls sehr präsent sind. Nicht wenige Accounts bieten Sinnsuchern täglich ein Zitat an, Firmen geben sogenannten Influencern viel Geld, um deren Follower mit ihren Produkten zu erreichen. Dabei bewegen sich die Zahlen der Abonnenten in den Hunderttausenden und sogar im Millionenbereich.
Neben all den Körper-Positiven, Yoga und Healthy Hashtags würde ich gerne ein paar katholische Lifestyle-Accounts in meine tägliche Social-Media-Routine integrieren, die mir einen Impuls für den Tag mitgeben. Davon gibt es im deutschsprachigen Bereich zu wenig. Wenn Kirche sich dazu berufen fühlt, die Menschen in ihren existenziellen Fragen und Entscheidungen mit ihrer Botschaft zu unterstützen, kommt sie daran nicht vorbei. Dann macht beim Scrollen nächstes Mal vielleicht die Sprachlosigkeit kurz der Hoffnung Platz.