Alexander Schmitt

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Neue Corona-Regeln in Stuttgart: Das sagen Stadt und Wirte zur Sperrstunde

Ab wann die Sperrstunde in Stuttgart gilt, ist noch unklar. Foto: dpa/Marijan Murat

Noch ist nicht klar, ab wann die am Mittwochabend beschlossene 23-Uhr-Sperrstunde in Stuttgart gilt. Man wolle sich an den Vorgaben des Landes orientieren, so die Stadt Stuttgart. Der Gaststättenverband Dehoga fürchtet „existenzbedrohliche Einbußen im Gastgewerbe“.

Stuttgart - Am späten Mittwochabend haben die Spitzen aus Bund und Ländern eine bundesweit geltende Sperrstunde ab 23 Uhr für Restaurants, Bars und Cafés beschlossen. Wann die Sperrstunde in Stuttgart gilt, ist zurzeit noch nicht klar. Man werde sich an den Vorgaben des Landes orientieren, sagt Sven Matis. „Aktuell prüfen wir, welche Verschärfungen wir noch in unsere Allgemeinverfügungen aufzunehmen haben“, fügt der Stadtsprecher hinzu. „Wir haben uns im Verwaltungsstab mit den Beschlüssen auseinandergesetzt und geschaut, was diese für Stuttgart bedeuten. Vieles davon gilt ja bereits.“

Für viele Gaststättenbetreiber ist das eine Hürde, wie Reiner Bocka erklärt: „Das Problem ist, wenn um 23 Uhr Sperrstunde ist, dann werden die letzten Getränke zwischen neun und zehn Uhr ausgeschenkt. Das heißt, eigentlich ist das gesamte Abendgeschäft hinfällig.“ Der Inhaber des Cafés Galao in der Tübinger Straße befürchtet, dass die Gäste nun nur noch zum Essen vorbeikämen, durch die Sperrstunde aber nicht viel länger bleiben könnten. „Das gesellschaftliche Zusammenkommen mit gemütlichem Zusammensitzen ist damit weg“, sagt Bocka.

Große finanzielle Belastung

Finanziell würde die Sperrstunde einen großen Einschnitt für die Betreiber darstellen. „Aber der Politik und der Verwaltung ist durchaus klar, in welcher Situation wir als Gastronomie sind. Wenn jetzt die Elf-Uhr-Sperrstunde kommt, ist das sicher ein überlegter Schritt, der allerdings sehr schmerzhaft ist und bei dem wir hoffen, dass das nicht zu lange anhält.“ Sandra Larrude vom Carls Brauhaus am Schlossplatz sieht die neue Regelung etwas gelassener: „Die Sperrstunde trifft uns an Wochentagen nicht wirklich, weil wir schon um 23 Uhr Schließzeit hatten. Aber am Wochenende ist das natürlich ärgerlich.“ Aus Sicherheitsgründen sei die Sperrstunde aber nachvollziehbar, sagt die Mitarbeiterin, aber aus wirtschaftlicher Sicht wäre die Regelung schlecht.

„Natürlich sind Einschränkungen aus Sicht der Branche nie gut. Wir haben aber immer die Haltung vertreten, dass wir Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung mittragen“, sagt Daniel Ohl, Pressesprecher des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). „Die Gesamtheit der Beschlüsse – nicht nur die Sperrstunde – trifft das Gastgewerbe bis in das Mark, dazu gehören die Versammlungseinschränkungen, aber eben auch die Sperrstunde.“

Sperrstunde nur ein Aspekt

Die Vorschriften würden mit ihrer Wirkung viele Betriebe in ihrer wirtschaftlichen Situation bedrohen, sagt Ohl. „Wir brauchen jetzt genauso schnell wie die Maßnahmen auch die Unterstützung der Politik, wie sie angekündigt ist. Zumachen ist für die Betriebe natürlich umsetzbar, die Frage ist: Was macht ein Betrieb, bei dem es eigentlich erst ab 21 Uhr losgeht?“

Gut umsetzbare Maßnahmen bedeuteten zurzeit „immer auch nur mit großen wirtschaftlichen Schäden umsetzbar“, so Ohl weiter. „Die Gesamtheit der Regelungen trifft uns extrem, und das wird zu existenzbedrohlichen Einbußen im Gastgewerbe führen. Da ist die Sperrstunde nur ein Aspekt unter vielen.“

Andere Schwerpunkte der Polizei

Polizeisprecher Stefan Keilbach erwartet aufgrund der Sperrstunde mehr Arbeit für die Ordnungskräfte. „Dann müssten wir natürlich gezielter zu einer bestimmten Zeit rangehen“, sagt er. Mit anderen Worten: Die Schwerpunkte werden anders gesetzt. „Selbstverständlich prüfen wir unter Einbeziehung der kommenden Tage, in welcher Stärke wir an welchen Stellen unser Engagement verstärken sollten“, so Keilbach. Nach dem Gießkannenprinzip werden die Ordnungshüter die Gastronomie im gesamten Stadtgebiet sicherlich nicht überprüfen. „Die Erfahrungen vom Lockdown im Frühjahr haben gezeigt, dass meistens alles klappt“, sagt Keilbach. Vorerst gehe es darum, mit dem Streifendienst und der Sondertruppe der Sicherheitskonzeption Stuttgart die Lage zu erkunden und Werbung für die gesundheitlichen Regelungen zu machen.

Laut dem Bund-Länder-Beschluss gilt in Städten und Landkreisen mit einem Sieben-Tage-Inzidenzwert von mindestens 50 Infektionen pro 100 000 Einwohnern eine verbindliche Sperrstunde ab 23 Uhr für Gastronomiebetriebe. Dazu gehört auch ein „generelles Ausgabeverbot von Alkohol“. Bei einem Sieben-Tage-Inzidenzwert von 35 sind diese Maßnahmen nicht verbindlich vorgeschrieben, aber empfohlen.

(15.10.2020)

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