Seit Wochen steht die Ukraine im Fokus der Öffentlichkeit: Reporter aus der ganzen Welt berichten aus Kiew. journalist-Autor Alexander Krex hat sich im Hauptquartier der Journalisten eingemietet. Es liegt direkt am Maidan, dem Platz, auf dem gerade Geschichte geschrieben wird.
"Sehr geehrter Herr Krex, wir haben Ihnen ein Zimmer mit Blick auf den Maidan reserviert und freuen uns auf Ihren Besuch. Mit freundlichen Grüßen, die Rezeption."
Der Taxifahrer macht eine Geste, die ich als Entschuldigung deute, normalerweise fährt er natürlich direkt vor das Hotel. Geht aber nicht, die Barrikaden: Autoreifen, Holzpaletten, Sandsäcke, Zehntausende Nelken in Plastikfolie – grellweiß angeleuchtet von den Scheinwerfern eines Fernsehteams aus New York. Der Fahrer zeigt über das Autodach die Straße runter und malt eine Linkskurve in die Luft, ich muss um das Gebäude herumgehen. Von der Rückseite ist das Hotel nur ein langweiliger schwarzer Kasten, kaum ein Fenster ist erleuchtet.
Wer will schon nach Südosten gucken; die Geschichte wird auf der anderen Seite geschrieben. Auf dem Maidan. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat den Machtkampf in der Ukraine als die schlimmste Krise in Europa seit dem Mauerfall bezeichnet. Nach Russlands Eingreifen fühlen sich viele an einen bekannten Konflikt erinnert: Kalter Krieg. Das will hier niemand verpassen.
Der Weg zum Haupteingang des Hotels war mal durchgängig gepflastert, jetzt läuft man über festgetretene Erde, weil die Steine zu Mauern aufgetürmt sind. Obendrauf stehen Grablichter und die Bilder der Toten.
Auf die Frage, wo die Revolution in der Ukraine gemacht wird, gibt es zwei Antworten, die sehr nahe beieinander liegen. Die eine lautet: auf dem Maidan. Die andere: im Hotel Ukraina gleich daneben. Das Haus ist die VIP-Loge der Historie, genauso wie es das Intercontinental am Tahrir Platz in Kairo war und das Divan am Istanbuler Gezi-Park. Das Großereignis des 20. Jahrhunderts, den Mauerfall, schilderten Journalisten aus dem Berliner Grand Hotel Unter den Linden oder aus dem Palasthotel an der Spree. Matthias Matussek blieb gleich ein Dreivierteljahr.
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