Sexroboter könnten der Tech-Branche den nächsten großen Boom bescheren. Die Anthropologin Kathleen Richardson will das verhindern.
Es wird gerade dunkel in London, als die Professorin Kathleen Richardson auf dem Gehweg stehen bleibt und eine imaginäre Waffe zieht. Sie beugt die Arme vor dem Oberkörper, als hielte sie eine Maschinenpistole, geht in die Knie und visiert ein unsichtbares Ziel an. "Stell dir vor, eine Übermacht kommt auf dich zu", sagt sie. "Was tust du?" Die Antwort, die sie darauf seit Jahren gibt, lautet: Nicht zurückweichen, auch wenn es scheint, als sei die Schlacht nicht zu gewinnen.
Die Schlacht, in der Kathleen Richardson an vorderster Front kämpft, richtet sich gegen Sexroboter. Noch gibt es nur Einzelanfertigungen, noch sind sie vor allem eine feuchte Utopie. Übermacht? Das passt doch gar nicht, möchte man einwenden. Und genau hier würde man sich in ihren Augen schon verraten, als jemand, der daran glaubt, dass Roboter Subjekte sein können. Nein, diese Gummipuppen mit ein bisschen Mechanik im Rumpf und einem Chip im Kopf seien nur die Ware, sagt sie. Der Feind, das seien Männer wie der amerikanische Sexroboterhersteller Matt McMullen, der damit Millionen verdienen will. Aber auch jene Liberalen, für die Sexualität reine Privatsache ist. Jene Techies, die alles Machbare auch machen wollen. Die nur technische Grenzen kennen.
Kathleen Richardson ist 45 Jahre alt, eine kleine Frau mit großen grünen Augen und einem schwarzen Pony. Sie wirkt mädchenhaft, wie sie da in ihrer Regenjacke mit Blümchendruck durch London läuft, den Rucksack geschultert. Akademische Distinguiertheit spart sie sich, sie springt von einem Thema zum anderen. Richardson ist Anthropologin und Professorin für Roboterethik und Künstliche Intelligenz an der Universität Leicester. Und die Gründerin der "Campaign Against Sex Robots", eines Zusammenschlusses von vier Akademikerinnen, der für ein Verbot von Sexrobotern lobbyiert, auf Podien, im britischen Oberhaus, in Brüssel. Richardson setzt das Thema auf die Agenda. Wie so oft, wenn es um Technologie geht, hinkt der Diskurs den Fakten hinterher. Am Sonntag wird sie auf einer Feminismuskonferenz sprechen, deshalb ist sie in London.
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