Der Homicide Report der L.A. Times berichtet über jeden Totschlag in Los Angeles. Eine interaktive Karte dokumentiert das Grauen. Und Nicole Santa Cruz gibt der Gewalt ein Gesicht. Sie besucht Angehörige der Opfer und erzählt ihre Geschichte. Jeden einzelnen Fall.
Nicole Santa Cruz ist außer Atem, als sie die museale Eingangshalle der Los Angeles Times betritt. Auf glänzendem Terrazzo-Boden umrundet sie den angestrahlten Globus in der Mitte, nickt der Empfangsdame zu und passiert die Sicherheitsschranke. Sie ist zu spät. „Sorry“, sagt sie im Fahrstuhl nach oben, „ich musste noch mal los“.
Sie hat eine Mutter besucht, deren Tochter wenige Tage zuvor ermordet worden ist. Santa Cruz saß einer fassungslosen Frau in deren Wohnzimmer gegenüber, Stadtteil Compton, und sagte einen Satz, den sie schon viel zu oft gesagt hat: Mein herzliches Beileid. Sie schreibt gerade an einer Geschichte über Familien, die mehrere Kinder durch Gewalttaten verloren haben. Die Frau, die Santa Cruz interviewte, hat schon ein Mal getrauert, vor zwölf Jahren wurde ihr Sohn erschossen.
Für Santa Cruz ist das Alltag, wobei Alltag hier keine Worthülse ist. In den vergangenen zwölf Monaten wurden im Grossraum Los Angeles 661 Menschen getötet, im Schnitt 1,81 jeden Tag. Und es war ein eher ruhiges Jahr.
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