Neuwied. Süß sind sie, die kleinen Mauzis, Tiffys oder Kittys, und doch bereiten sie vielen Tierheimen in Rheinland-Pfalz Sorgen. Viele Einrichtungen sind mit der Menge an Fundtieren überlastet. Sie fordern anlässlich des „Tages der Katze" an diesem Samstag finanzielle Unterstützung und: eine Katzenschutzverordnung, inklusive Kastrationspflicht für Freigänger.
Von unserer Reporterin Agatha MazurDie Katzenhilfe Neuwied ist einer von den Verbänden, die für eine solche Verordnung kämpfen. Zurzeit läuft eine Unterschriftenaktion, die sie gemeinsam mit Tierschutzvereinen aus der Region und dem Arbeitskreis der Grünen im Landkreis Neuwied tragen. Die Kernforderungen: Katzen mit Freigang sollen kastriert und mit Mikrochips versehen werden.
Das Problem ist die rasche Vermehrung: Eine freilaufende, nicht kastrierte Katze kann sich bis zu dreimal im Jahr vermehren, pro Wurf sind bis zu sieben Tiere drin. Streunen die Katzen frei herum oder werden sie ausgesetzt, vermehren sie sich unkontrolliert. Mittlerweile gibt es sogar in Innenstädten wilde Katzenkolonien, wo sich die Nachkommen ausgesetzter Hauskatzen durchschlagen und von Tierschützern versorgt werden müssen. Denn: "Eine Hauskatze, die ausgesetzt wird, hat allein kaum Überlebenschancen", betont die Vorsitzende der Katzenhilfe Neuwied, Patricia Breithausen.
325 Tiere landeten im vergangenen Jahr bei der Katzenhilfe in der Stadt am Rhein, rund die Hälfte wurde ausgesetzt, schätzt Breithausen. Die Vierbeiner verursachen hohe Kosten: 65.000 Euro gibt der Tierschutzverein, der kürzlich sein 30-jähriges Bestehen feierte, jedes Jahr für Tierarztkosten aus. 20.000 Euro gehen für Futter drauf, und das auch nur, weil viele Tierfreunde Futter spenden. Anderen Tierschutzvereinen geht es noch schlechter, sagt Breithausen.
Woher kommen all die Katzen?Doch woher kommen all diese ausgesetzten Katzen? Doris Litz, Pressesprecherin der Katzenhilfe Neuwied, empört sich: "Katzen bekommt man auch heute oft noch geschenkt, während man selbst für einen Hundemischlingswelpen mehrere Hundert Euro auf den Tisch blättern muss." Offensichtlich hat Canis lupus familiaris eine andere Stellung als Felis silvestris catus. Und was nichts kostet, ist nichts wert, bedauert Litz. Wenn aus dem süßen Kätzchen von einst ein großer Kater geworden ist, dann ist der Schritt zum Aussetzen bei einigen unverantwortlichen Haltern nicht mehr weit. Doch die Vorsitzende Patricia Breithausen sieht auch die Entwicklung, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Leute sich die Tierarzt- oder Kastrationskosten nicht mehr leisten können: "Das hat zugenommen."
Die Katzenschutzverordnung soll helfen: dass die Katzenpopulation eingedämmt wird, weniger Tiere ausgesetzt werden und somit nicht mehr in freier Wildbahn verwahrlosen. Würde man die Katzen mithilfe eines Mikrochips registrieren, könnte man sie zu ihrem Besitzer zurückverfolgen: Er könnte dann haftbar gemacht werden. Die Hemmung, seine Katze auszusetzen, würde hoch sein.
Burgbrohl verpflichtet bereits zur Kastration der FreigängerViele Kommunen im Nachbarland Nordrhein-Westfalen haben bereits eine Katzenschutzverordnung. Rheinland-Pfalz ist Nachzügler: Im Frühsommer wurde eine Verordnung beschlossen, die den Kommunen die Möglichkeit einräumt, eine Kastrationspflicht zu erlassen. Demnächst soll sie in Kraft treten. Die Katzenhilfe Neuwied freut sich darüber, dass es dann eine rechtliche Grundlage geben wird. Doch Verordnung hin oder her: Keine Kommune wird daran gehindert, bereits jetzt schon eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht zu erlassen. Burgbrohl im Landkreis Ahrweiler ist hier einer der Vorreiter. Im Dezember hat der Gemeinderat eine Kastrationspflicht für die Samtpfoten erlassen. Die Kommune hat seitdem gute Erfahrungen gemacht.
Doris Litz und Patricia Breithausen können die Zögerlichkeit vieler Gemeinden nicht verstehen: "Eine Verordnung zu erlassen, kostet ja erst mal kein Geld", gibt sich Litz kämpferisch, relativiert dann aber: Natürlich möchte man die Kommunen nicht an den Pranger stellen, schließlich kämpfen viele mit finanziellen Problemen und befürchten Mehrkosten.
Andreas Lindig ist Vorsitzender des Deutschen Tierschutzbundes in Rheinland-Pfalz. Er glaubt, dass eine Verordnung den Kommunen sogar Geld spart. Es ist günstiger, frühzeitig einige wenige Katzen zu kastrieren, als hinterher gegen große Populationen angehen zu müssen. Und: Können die Besitzer durch einen Mikrochip im Katzenohr ausfindig gemacht werden, müssten sie etwaige Kosten übernehmen, die Kommunen wären aus dem Schneider. Eine Katzenschutzverordnung hätte auch über den praktischen Nutzen hinaus Symbolcharakter. Doris Litz von der Katzenhilfe Neuwied betont, dass es ein gesellschaftliches Thema sei, kein politisches. Momentan übernehmen die Tierheime Aufgaben der Kommunen, meint Litz. Sie seien aber nicht gesetzlich verpflichtet, sich um die Tiere zu kümmern: "Wir sind nur eine Handvoll Privatleute, die freiwillig viel Zeit und Geld in den Tierschutz stecken."
Fragen und Antworten
Was fordern die Tierschutzverbände?
Der Deutsche Tierschutzbund und die Katzenhilfe Neuwied fordern gemeinsam mit anderen Verbänden eine Katzenschutzverordnung, zumindest aber eine Kastrations- und Registrierungspflicht für freilaufende Katzen, damit sie sich nicht unkontrolliert vermehren. Katzenzucht soll selbstverständlich auch nach wie vor möglich sein. Hier schlägt Andreas Lindig, Erster Vorsitzender des Deutschen Tierschutzbundes, Landesverband Rheinland-Pfalz, vor, Ausnahmeregelungen einzuführen. Um zurückverfolgen zu können, wem eine Katze gehört, sollen die Tiere beispielsweise durch einen Chip gekennzeichnet werden.
Warum gibt es für Hunde auf Bundesebene eine Schutzverordnung - nicht aber für Katzen?
Andreas Lindig vom Deutschen Tierschutzbund erklärt die ungleiche Behandlung dadurch, dass Hunde schon immer leichter dem Besitzer zuzuordnen waren als Katzen - die Samtpfoten streunen gern herum und sind auch einige Tage außer Haus. Hinzu kommt, dass Hunde im Verkehr schwerere Unfälle verursachen als Katzen. Somit hätte man ein größeres Interesse, schneller deren Besitzer ausfindig zu machen.
Was geschah bislang?
2013 änderte die Bundesregierung den Paragrafen 13b des Bundestierschutzgesetzes dahingehend, dass sie es den Bundesländern ermöglicht, eine Katzenschutzverordnung zu erlassen. Verpflichtet sind die Länder allerdings nicht. In Rheinland-Pfalz hat der Ministerrat eine entsprechende Verordnung beschlossen, die aber noch nicht in Kraft getreten ist. Zukünftig soll es Kommunen erlaubt sein, Kennzeichnungs- und Kastrationspflichten zu erlassen. Andreas Lindig vom Deutschen Tierschutzbund RLP bemängelt, dass die Verantwortung auf die Kommunen abgewälzt werde.
Was besagt der Paragraf 13b?
Paragraf 13b des Bundestierschutzgesetzes ermächtigt die Landesregierungen, zum Schutz frei lebender Katzen bestimmte Gebiete festzulegen, in denen, so wörtlich, "durch eine Verminderung der Anzahl dieser Katzen deren Schmerzen, Leiden oder Schäden verringert werden können". Sprich, die Landesregierung könnte Maßnahmen treffen, um die Katzenpopulation einzudämmen: Sie dürfte den unkontrollierten freien Auslauf fortpflanzungsfähiger Katzen verbieten oder beschränken und eine Kennzeichnungspflicht durchsetzen. Die einfachste Variante wäre laut Tierschutzverbänden eine Kastrationspflicht.
Welche Maßnahmen werden bereits jetzt ergriffen?
Der Deutsche Tierschutzbund beispielsweise startet jedes Jahr im späten Winter, bevor sich die Katzen im Frühjahr vermehren, gemeinsam mit der Tierärztekammer Rheinland-Pfalz und lokalen Tierschutzverbänden eine Initiative: die Kastrationswochen. Katzenhalter, die ihr Tier unfruchtbar machen, erhalten einen finanziellen Zuschuss. Doch lösen lässt sich das Problem der Katzenschwemme damit nicht, bedauert Andreas Lindig vom Deutschen Tierschutzbund RLP. Es führe nur dazu, dass man die Zahlen stabil halten kann.