Adrian Arab

Journalist (Wirtschaft, Mobilität, Technologie), Berlin

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Mitmischen das Jugendportal des Deutschen Bundestages: Pause beim Seitenwechsel?

Streitgespräch Pause beim Seitenwechsel? 27.03.2015 |

Sollen Politiker ohne Sperrfrist in die Wirtschaft wechseln dürfen? Nein, findet Okan, weil es Interessenkonflikte gibt. Na klar, sagt Adrian, weil wir sonst nur Berufspolitiker haben würden.

Okan (links) hält lange Wartezeiten für Ex-Politiker für sinnvoll, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Adrian (rechts) meint: Mit einem solchen bevorstehenden Berufsverbot hätte niemand mehr Lust, in die Politik zu gehen! - © privat

Okan, 22: Sperrfrist? Ja, und zwar lang!

Ronald Pofalla ( CDU), Daniel Bahr ( FDP), Dirk Niebel ( FDP) - das sind nur drei Namen, die in den letzten beiden Jahren für Schlagzeilen gesorgt haben. Politiker, die mal eben so in die Wirtschaft wechseln: Warum ist das ein Problem? Je nachdem, wo die Person genau gearbeitet hat, bringt sie ihrem neuen Arbeitgeber wertvolle Informationen und Einflussmöglichkeiten mit. Problematisch wird es, wenn sich jemand noch während seiner politischen Tätigkeit für einen Seitenwechsel entscheidet. In diesem Fall könnten Entscheidungen beeinflusst werden, die das Unternehmen betreffen. Deswegen, finde ich, sollte es eine gewisse Wartezeit geben, nach der ein Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft okay ist.

So war Ronald Pofalla bis zur Bundestagswahl 2013 noch Kanzleramtsminister, also jemand mit besten Kontakten in die deutsche Politik. Seit Anfang dieses Jahres ist er nun bei der Deutschen Bahn - und genau für diese politischen Kontakte zuständig.

Oder Dirk Niebel: Vier Jahre lang war er Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit und saß in dieser Funktion auch im sogenannten Bundessicherheitsrat. Der entscheidet darüber, ob Waffenexporte aus Deutschland erlaubt werden oder nicht. Kein Jahr später wurde bekannt, dass Niebel in Zukunft für Rheinmetall arbeiten wird, einen der größten Waffenhersteller Deutschlands.

Daniel Bahr wiederum war erst Gesundheitsminister und arbeitet nun bei der Allianz, einer privaten Versicherung. Dabei hatte sich Bahr während seiner Amtszeit für das Bestehen privater Krankenversicherungen eingesetzt und etwa eine private Zusatzversicherung eingeführt, die auch bei der Allianz zu kaufen ist.

Interessenskonflikte? Ich finde schon. Diese Fälle sind bei Weitem nicht die einzigen, die in den letzten Jahren Aufsehen erregt haben. Seit Ewigkeiten wird über das Thema diskutiert, Organisationen wie Transparency International und Lobby Control kritisieren seit Langem fehlende Regelungen. Dass nun erstmals ein Gesetz dazu verabschiedet werden soll, finde ich gut, auch wenn es viel zu spät kommt.

Das Gesetz ist jedoch bei weitem nicht ausreichend. Erstens: Eine einjährige Wechselsperre soll nur verhängt werden, wenn die Regierung selbst einen Interessenkonflikt in dem Vorhaben sieht. Zweitens: Die Fristen von zwölf bis maximal 18 Monate sind meines Erachtens viel zu kurz. Das sieht auch die Vorsitzende des deutschen Ablegers von Transparency International so: Um zu verhindern, dass sich jemand noch während seiner Amtszeit für einen späteren Arbeitgeber einsetzt, seien längere Sperrfristen nötig.

Es wäre also schön, wenn es ein überhaupt ein solches Gesetz geben würde. Und wenn dann aber bitte noch straffer!

Adrian, 18: Nein, wir vergraulen sonst gute Leute

Liebesgeschichten gibt es auch in der Politik. Ob Eckart von Klaeden ( CDU) und Daimler, Dirk Niebel ( FDP) und Rheinmetall oder Ronald Pofalla ( CDU) und die Deutsche Bahn. Immer wieder gehen Parlamentarier fremd und verlassen die politische Bühne Berlins in Richtung Privatwirtschaft. Zufall? Sicher keiner!

Ich halte eine verpflichtende Karenzzeit für Politiker vor dem Wiedereinstieg in einen außerparlamentarischen Beruf für nicht sinnvoll. Und das nicht, weil die Argumente der Befürworter unsinnig wären. Aber in der Diskussion überwiegen die Nachteile enorm.

Wahlbeteiligungen von unter 50 Prozent wie zuletzt bei den Landtagswahlen in Sachsen oder Brandenburg zeigen es schmerzlich: Immer weniger Menschen interessieren sich für Politik. Doch es steigert die Politikverdrossenheit, wenn unser Parlament aus lauter langweiligen Berufspolitikern besteht und nicht, wie es sein sollte, aus Menschen aus allen Bevölkerungsschichten. Und aus allen Wirtschaftszweigen!

Die Debatte muss mit einem Blick ins Grundgesetz beginnen. "Alle Deutschen haben das Recht, [....] Beruf und Arbeitsplatz frei zu wählen." Soll Artikel 12, ein Grundrecht, für Politiker nicht gelten? Doch - muss es! Wenn wir das nicht respektieren würden - wer hätte denn heute noch Lust, in die Politik zu gehen, wenn damit beim Verlassen der Politik ein Berufsverbot für bestimmte Zeit einherginge? Niemand, für den sich an anderer Stelle unabhängigere Möglichkeiten ergeben.

Auch die Qualität und Kompetenz unserer Volksvertreter würde herbe Einschnitte verkraften müssen. Denn in der freien Wirtschaft lässt sich mehr Geld verdienen als in der Politik. Nun sollten wir aber auch von Menschen vertreten werden, die in der Wirtschaft Verantwortung übernehmen, etwa als Arbeitgeber oder Lobbyist. Nur würde das keiner mehr tun, der wüsste, dass nach der Politik erst einmal die Sperrfrist wartet. Die Folge: Die Zahl der Berufspolitiker würde steigen, die Zahl der kompetenten Wirtschaftslenker im Parlament deutlich sinken.

Letztlich stellt sich für mich noch die Frage: Warum 18 Monate? Wäre für einen Befürworter, der ich nicht bin, 20 Monate, vier oder zehn Jahre nicht viel sinnvoller? Hier zeigt sich die Absurdität des Versuches, Einzelinteressen mit einer Karenzzeit eindämmen zu wollen. Denn wer die Seitenwechsel wirklich für sich zu nutzen versucht, lässt sich kaum von einer so kurzen Karenzzeit abschrecken. Die Politik muss andere Wege finden, die für das Parlament unvorteilhaften Interessenkonflikte einzudämmen. Eine Sperr- oder Karenzzeit ist da viel zu einfach. Lösen wird sie meines Erachtens nur ein Problem: Lange Schlangen an den Wahlurnen.

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