Ein Schicksal gewinnt an Tragik, wenn es sich wiederholt. In diesem Text soll vom Schicksal einer Regionalbahn-Strecke erzählt werden, der sogenannten Schorfheidebahn. Sie verbindet die Orte Eberswalde und Templin in der Uckermark, ländliches Brandenburg.
Die Schorfheidebahn hat eine reiche Geschichte. 1898 wurde die Strecke eröffnet. Kaiser Wilhelm II., so erzählt man es sich, ist damit zur Jagd gefahren. Ein Jahrhundert später, im Jahr 2006, wurde der Betrieb wegen zu wenig Bedarf auf einem Teil der Strecke eingestellt, zwischen Templin und Joachimsthal. 2018 wurde er probeweise wieder aufgenommen.
Und nun, in diesem Jahr, hat die Brandenburger Landesregierung etwas getan, was ihr Kritik eingebracht hat. Sie hat den besagten Abschnitt der Schorfheidebahn ein weiteres Mal sterben lassen. Am vergangenen Samstag fuhr die RB63, so der technisch korrekte Name, das vorerst letzte Mal die komplette Strecke.
Was man natürlich für ein reines Provinzproblem halten könnte, nicht der Rede wert.
Was einen aber, angesichts der Ambitionen der Bundesregierung, auch stutzig machen kann.
Denn hat nicht die Bundesregierung neben allerlei anderen Wenden auch eine Verkehrswende angekündigt? Hat sie sich nicht vorgenommen, mehr Personen und Güter über Schienen zu transportieren? Wie kann es sein, dass da Strecken ausgerechnet im boomenden Brandenburg sogar stillgelegt werden? Oder anders gefragt: Scheitert etwa im Alltag mal wieder, was in der Theorie schon versprochen worden ist?
Um sich dieser Frage zu nähern, muss man erst einmal herausfinden, ob die Schorfheidebahn überhaupt irgendwer vermissen wird.
Der 10. Dezember, ein kalter Samstag, am Gleis von Templin ist noch alles ruhig. Unter den Passagieren finden sich zum einen Pendler und zum anderen Leute, die sich als "Bahnfans" vorstellen. Die also extra gekommen sind, um die letzte Fahrt nicht zu verpassen. Der blau-weiße Zug schiebt sich gemächlich durch kleine Wälder. Zunächst ist von Protest zwar nichts zu hören, aber zu sehen. "Sanieren statt krepieren", steht auf einem Transparent entlang der Strecke.
Einige Stunden später schallt in Templin Tracy Chapman aus einer Bluetoothbox, Talkin' Bout A Revolution. Jetzt steigen etwa 50 Protestierer ein, ausgerüstet mit Schildern und Unverständnis. Darunter ein Filmregisseur aus Berlin mit Zweitwohnung in Joachimsthal; er sei regelmäßig mit der Schorfheidebahn gefahren, erzählt er. Außerdem Familien, alteingesessene Bewohner der angrenzenden Gemeinden. Regina Zedow, 66, pensionierte Krankenpflegerin aus Templin, sagt, die Bahn sei nicht nur für den Tourismus wichtig, sondern auch für Leute, die zum Arzt oder zur Schule müssten. Gerade in einer Region, "die sich sowieso schon abgehängt fühlt", sagt Zedow. Sie selbst werde künftig wieder mehr Auto fahren müssen.
Für den Regionalverkehr sind die jeweiligen Landesregierungen zuständig. Jene in Brandenburg weiß schon länger, dass es Widerstand gegen ihren Plan gibt, die RB63 stillzulegen. Im Frühjahr startete eine Petition für den Erhalt der Bahn, die 6500 Unterschriften zählt. Die Bürgermeister von Templin und Eberswalde sowie andere Kommunalpolitiker wandten sich in einem offenen Brief direkt an Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Selbst aus der Bundesregierung kam zuletzt Kritik. Unter anderem vom Grünen-Politiker Michael Kellner, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Kellner hat einen Wohnsitz in der Uckermark. Bei einer Rede auf dem Landesparteitag der Grünen wünschte er sich, "dass dieser Irrsinn, dass Bahnstrecken in Brandenburg stillgelegt werden, endet". Was bemerkenswert ist, weil in Brandenburg die Grünen ja, gemeinsam mit SPD und , in der Regierung sitzen.